„Papageno-Effekt“: Aufklärung durch andere Menschen mit eigenen suizidalen „Erfahrungen“ kann Suizidgedanken verringern

Wien (OTS) – Die Rolle von Personen mit eigenen Erfahrungen von
Suizidalität ist ein wichtiges Thema in der Suizid-Präventionsarbeit.
In der nun durchgeführten, bisher größten Studie mit insgesamt 545
TeilnehmerInnen, wird diese Rolle untermauert: Die Studienautoren
Benedikt Till und Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für
Sozial- und Präventivmedizin des Zentrums für Public Health an der
MedUni Wien konnten in Zusammenarbeit mit Kollegen der
Ludwig-Maximilians Universität München sowie der Uni Leuven in
Belgien zeigen, dass Experten-Interviews zum Thema Suizidprävention
Suizidgedanken verringern können unabhängig davon, ob der Experte
/die Expertin ohne eigene Erfahrungen mit Suizidalität im Artikel
thematisiert.

In der Suizidforschung ist bereits seit längerer Zeit bekannt,
dass es bei der Berichterstattung über Suizidalität um das „wie“
geht. So können sensationsträchtige Artikel über Suizide zur
Nachahmung „animieren“. Dieses Phänomen wird in der
wissenschaftlichen Literatur als „Werther-Effekt“ bezeichnet. „Wenn
aber in Medien auf Bewältigungsstrategien für suizidale Gedanken
fokussiert wird, dann hat das eine positive Wirkung und kann Wissen
zu Prävention erhöhen und Suizidgedanken verringern“, sagen Till und
Niederkrotenthaler. In Anlehnung an Mozarts Singspiel „Die
Zauberflöte“, in der die Hauptfigur Papageno im Glauben um den
Verlust seiner geliebten Papagena Selbsttötungsabsichten hegt, jedoch
von drei Knaben davon noch abgebracht wird, wird dieser Effekt
„Papageno-Effekt“ genannt.

Zwtl.: ExpertInnen als Präventionshelfer?

Dabei wird oft die Frage diskutiert, ob und inwieweit auch
ExpertInnen, die selbst schon einmal Suizidgedanken hatten und ihre
suizidale Krise bewältigt haben, ihre persönliche Erfahrung
einbringen und offen darüber erzählen können und wie hilfreich das
für die Prävention sein kann. „Unsere Fragestellung lautete daher:
Kann man durch Zeitungsartikel, in denen ein/e ExpertIn zum Thema
Suizid interviewt wird, einen Papageno-Effekt bewirken? Und: Ist
dieser Effekt stärker oder schwächer, wenn der/die interviewte
Expertin von persönlicher Erfahrung mit Suizidgedanken berichtet?“,
so die Prämisse der Forscher.

Zur Studie: 545 erwachsene Personen wurden gebeten, einen
Zeitungsartikel zu lesen. Gruppe #1 las einen Artikel, in dem eine
Expertin über Suizid und Suizidprävention Aufklärung betrieb, ohne
dabei über persönliche Erfahrung mit Suizidgedanken zu berichten.
Gruppe #2 las denselben Artikel, jedoch erzählte hier die Expertin
über die Bewältigung einer suizidalen Krise in der eigenen Jugend.
Gruppe #3 wiederum las ein Interview zu einem gesundheitsbezogenen
Thema, das nicht mit Suizid im Zusammenhang steht. Unmittelbar vor
und nach Lektüre der Zeitungsartikel wurden psychologische Tests
durchgeführt.

Das Resultat der Studie, die jetzt im „Journal of Clinical
Psychiatry“ publiziert wurde: Suizidgedanken im Sinne des
„Papageno-Effekts“ können mittels dieser Zeitungsartikel reduziert,
das Wissen über Suizidprävention erhöht werden. Dabei war Aufklärung
durch die Expertin mit und ohne persönliche Erfahrung mit
Suizidgedanken gleichermaßen effektiv.

Zwtl.: Über den Papageno-Effekt in der Suizid-Forschung

Seit der Erstbeschreibung eines möglichen „Papageno-Effekts“ vom
Team um Thomas Niederkrotenthaler im Jahr 2010 stärkt dieser die im
Rahmen des österreichischen Suizidpräventionsplans
([https://www.bmgf.gv.at/home/suizid]
(https://www.bmgf.gv.at/home/suizid)) forcierte Zusammenarbeit mit
Medien zur Suizidprävention durch Medienempfehlungen zur
Berichterstattung über Suizid. Seit 2017 ist der Papageno-Effekt auch
Teil der Medienempfehlungen der WHO. Das Zentrum für Public Health
der MedUni Wien empfiehlt Betroffenen und Interessierten die neue
Seite [www.suizid-praevention.gv.at]
(http://www.suizid-praevention.gv.at) im österreichischen
Gesundheitsportal, die vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales,
Gesundheit und Konsumentenschutz betreut wird.

Zwtl.: Service: Journal of Clinical Psychiatry

„Effect of Educative Suicide Prevention News Articles Featuring
Experts With vs Without Personal Experience of Suicidal Ideation: A
Randomized Controlled Trial of the Papageno Effect “. B. Till, F.
Arendt, S. Scherr, T. Niederkrotenthaler. doi: 10.4088/JCP.17m11975.

Medizinische Universität Wien
Mag. Johannes Angerer
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