Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 7. April 2018. Von MARIO ZENHÄUSERN. “Entbehrliches Murren”.

Innsbruck (OTS) – Die Kritik heimischer Wirtschaftstreibender an der Intensivierung der Lkw-Blockabfertigung könnte zum Bumerang werden. Je geschlossener Tirol hinter den Verkehrsmaßnahmen steht, desto eher wird sich Brüssel bewegen.

Am Donnerstag dosierten Tiroler Polizisten in Kufstein-Kiefersfelden ein weiteres Mal den Lkw-Verkehr in Richtung Tirol. Was die Verkehrsteilnehmer auf und die Anwohner entlang der Inntalautobahn freut, ist für bayerische Politiker und natürlich die betroffenen Lkw-Fahrer ein großes Ärgernis. Bis zu 20 Kilometer stauten sich die Fernlaster, wenn auch nur kurzfristig, nach Bayern zurück. Es ist also nachvollziehbar, dass der bayerische Löwe tobt. Andererseits:
Ohne die Blockabfertigung hätte sich die Lkw-Kolonne stundenlang von Kufstein in Richtung Innsbruck gestaut.
Was für die Tiroler Verkehrspolitik einen lang ersehnten Erfolg darstellt, kann natürlich niemals eine Dauerlösung sein. Die reine Verlagerung nach dem Floriani-Prinzip ist zwar ein beliebtes, aber kein probates Mittel zur Problemlösung. Das wissen auch die Bayern, die mit scharfen Einreisekontrollen an der Grenze ihrerseits für Staus in Österreich sorgen, obwohl sich die Lage auf den Flüchtlingsrouten beruhigt hat, aber gleichzeitig österreichische Grenzkontrollen am Brenner verbieten wollen – eine Chuzpe der besonderen Art.
Eine Lösung der Transitproblematik im gesamteuropäischen Sinn kann nur der Brennerbasistunnel darstellen. Damit der funktioniert, braucht’s neben der notwendigen Infrastruktur (Zulaufstrecken!) vor allem die Verpflichtung, den Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern, und die Einführung einer entsprechend hohen Korridormaut von München bis Verona, die den Umwegtransit reduziert. Vor allem Letzteres ist bis dato regelmäßig an der Bereitschaft der Nachbarländer gescheitert, die Lkw-Maut auf Tiroler Niveau anzuheben. Die intensivierte Blockabfertigung in Kufstein ist gewissermaßen ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass sich Tirol diese Ignoranz in Bayern und Nordita­lien nicht länger gefallen lässt, sich schützend vor die seit Jahrzehnten unter Lärm und Abgasen leidende Bevölkerung stellt. Die EU hat diese Notwehrmaßnahme bisher toleriert. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn nun plötzlich Störfeuer aus der heimischen Wirtschaft die Tiroler Verkehrspolitik kritisiert bzw. in Frage stellt, könnte Brüssel dies als Zeichen dafür werten, dass die Tiroler nicht an einem Strang ziehen. Genau dieses möglichst geschlossene Auftreten wird aber notwendig sein, um den Tiroler Maßnahmen gegen den Lkw-Transit Nachdruck zu verleihen. So gesehen ist das Murren der Tiroler Wirtschaftstreibenden entbehrlich.

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