44. Wiener Gemeinderat (6)

Spezialdebatte GGr. Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales

Wien (OTS/RK) – GRin Mag. Ulrike Nittmann (FPÖ) erinnerte an die
herrschende Hochkonjunktur: für den Bund und das Land Wien würden
dieselben wirtschaftlichen Rahmen gelten. Die schwarz-blaue
Bundesregierung schaffe es dabei aber, einen Budget-Überschuss zu
erwirtschaften, während sich Wien im kommenden Jahr noch tiefer
verschulde. Der von der SPÖ propagierte „Wiener Weg“ bedeute
Intransparenz und Schuldenmachen. Offiziell würden 188 Millionen Euro
an Neuverschuldung ausgewiesen – das strukturelle Defizit werde aber
nicht angeführt, laut Nittmann läge die Neuverschuldung tatsächlich
bei 515 Millionen Euro. Auch argumentiere die Stadtregierung stets
mit den Werten, die für künftige Generationen geschaffen würden; es
seien aber ebendiese jungen Menschen, welche die Schulden später
zurückzahlen müssten.

GR Mag. Thomas Reindl (SPÖ) befürchtete, dass die Phase der
Hochkonjunktur schon bald zu Ende gehen könnte – die Menschen würden
das in ihren Geldbörsen auch auf Grund der sozial kalten Maßnahmen
der schwarz-blauen Bundesregierung zu spüren bekommen. Dass der Bund
etwa die „Aktion 20.000“ gestrichen habe und dem AMS Mittel kürze,
mache es Wien nicht leichter, gute Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.
Immerhin verzeichne Wien einen Rekordstand bei den
Beschäftigten-Zahlen, und die Zahl der Arbeitslosen sinke seit
Monaten kontinuierlich. Das 92 Milliarden Euro schwere Wiener
Bruttoregionalprodukt sei im europäischen Spitzenfeld, genauso wie
die 5,15 Milliarden Euro an nachfragewirksamen Investitionen, welche
die Stadt im kommenden Jahr tätigen werde. „Für diese Zahlen brauchen
wir uns nicht verstecken, der Wirtschaftsmotor Wien strahlt weit über
die Grenzen hinaus.“ Die Opposition beklage am vorliegenden
Budgetentwurf mangelnde Transparenz und fehlende Foren zum Einbringen
der eigenen Meinung – Reindl erinnerte daran, dass das Budget in
Sitzungen des Finanzausschusses und des Stadtsenats Thema gewesen
sei. In diesen Gremien hätte die Opposition aber inhaltlich nichts
zum Thema eingebracht.

GR DI Dr. Stefan Gara (NEOS) bezog sich in seiner Rede auf die
Wiener Standortpolitik. Diese sei zwar „gut, aber nicht exzellent“.
Dass sich internationale Betriebe in Wien niederließen, sei nicht die
ganze Wahrheit – die echten internationalen Top-Unternehmen zöge es
nicht nach Wien. Dafür gäbe es laut Gara zahlreiche Gründe, etwa die
hohen Lohnnebenkosten oder den eklatanten Fachkräftemangel etwa im
IT-Bereich. Wien sei in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und
Innovation insgesamt zu dünn aufgestellt, um namhafte Player an den
Standort zu locken. Es brauche aber diese global tätigen Unternehmen,
um jene 50.000 Jobs zu schaffen, von denen Wirtschaftsstadtrat KommR
Peter Hanke (SPÖ) immer spreche.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) freute sich süffisant über die
Aussage der SPÖ, die städtischen Schulden seien mit dem Kredit eines
Häuslbauers zu vergleichen, der sich mit den Fremdmitteln Werte für
die Zukunft aufbaue. Es sei immerhin jahrelange Forderung der ÖVP,
für mehr Eigentum im Wohnbau zu sorgen. Das Problem an den 188
Millionen Euro Schulden, welche die Stadt im kommenden Jahr
zusätzlich aufnehmen werde, sei die Tatsache, dass damit keine neuen
Großprojekte – etwa ein neues Nationalstadion – finanziert würden,
„sondern sich die Stadt am eigenen System abarbeitet“. Die Frage sei
legitim, aus welchen Töpfen große anstehende Ausgaben wie der Bau
eines neuen internationalen Busterminals oder die Sanierung des AKH
finanziert werden sollten. Die SPÖ kritisiere die schwarz-blaue
Bundesregierung für ihren Budgetüberschuss und meine, das gehe in
Zeiten der Hochkonjunktur „ja quasi von selbst“ – warum sei der
Überschuss in Wien dann nicht möglich?, fragte Juraczka rhetorisch.
Vom neuen Finanzstadtrat Hanke hätte er sich mehr Mut beim „Anpacken
der Wiener Frühpensionitis“ gewünscht. Wenn die ÖVP von mehr
Transparenz im Budget spreche, meine sie vor allem das fehlende
Interpellationsrecht im ausgelagerten Bereich, was bereits
Altbürgermeister Häupl als „systemischen Webfehler“ bezeichnete. In
einem Antrag forderte Juraczka das Schaffen eines Budgetdienstes,
welcher die Abgeordneten unterstützen solle.

GR Peter Kraus, BSc (Grüne) antwortete auf den Vorwurf, der
Budgetplan sehe keine Großprojekte vor: Wien habe in den vergangenen
Jahren die Infrastruktur für die Größe einer Stadt wie Graz gebaut.
Entstanden seien etwa Kindergärten und Schulen für 280.000 neue
Wienerinnen und Wiener – um diese Größe sei die Stadt in den
vergangenen Jahren gewachsen. Ihm sei es ein Anliegen, KMUs und EPUs
stärker zu unterstützen und die Kreativwirtschaft gezielter nach Wien
zu locken. Um die Herausforderungen der Digitalisierung zu
bewältigen, brauche es eine starke europäische Zusammenarbeit. 73
Prozent der Wiener Exporte gingen an Länder innerhalb der EU. „Wir
brauchen diese Zusammenarbeit in Europa. Die ÖVP gefährdet mit ihrem
Spiel mit dem Nationalismus unseren Standort.“

GR Mag. Dr. Alfred Wansch (FPÖ) sagte, Wiens Schuldenpolitik
„zerstört den sozialen Wohnbau“. Als Beispiel nannte er jene 170
Millionen Euro, welche laut Wansch aus dem Topf der Wohnbauförderung
gezogen worden seien, um damit Löcher bei der Finanzierung des KH
Nord zu stopfen. Dass die Hälfte der städtischen Gebarung außerhalb
des Budgets passiere und somit jeder zweite Euro außerhalb der
Kontrolle durch den Gemeinderat ausgegeben werde, nannte Wansch die
„rote Flucht aus dem Budget“. Durch das Gründen von Unternehmungen,
Fonds, Anstalten öffentlichen Rechts und Kapitalgesellschaften werde
der Opposition im Gemeinderat Stück für Stück die
Einsichtsmöglichkeit und Kontrolle entzogen. Er zitierte aus dem
Vertrag der „Wiener Stadtwerke Planvermögen GmbH“, worin von einem
Fondsvolumen in Höhe von einer Milliarde Euro die Rede sei. Er fragte
sich, welche weiteren „spekulativen Papiere noch herumgeistern“
würden.

(Forts.) esl/hul/ord

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