
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Dienstag, 27. November 2018, von Mario Zenhäusern: „Placebos verhindern keine Straftaten“
Innsbruck (OTS) – Verbote und Vorschriften wirken nur so gut, wie
ihre Einhaltung kontrolliert und jeder Verstoß sanktioniert wird. Das
Stadtpolizeikommando muss das subjektive Unsicherheitsgefühl der
Menschen endlich ernst nehmen.
Die Eskalation der Gewalt in Teilen der Innsbrucker Innenstadt macht
Angst. In der so genannten Bogenmeile, einem Anziehungspunkt für
Nachtschwärmer nahezu aller Altersklassen, sitzen nicht nur die
Messer locker. Immer wieder kommt es hier zu blutigen Zwischenfällen,
in den frühen Morgenstunden verübte Raubüberfalle sind beinahe an der
Tagesordnung. Vom Lärm, der die Nachtruhe der Anrainer empfindlich
stört, gar nicht zu reden.
Das ist nicht erst seit dem vergangenen Wochenende so. Der Tod des
jungen Vorarlbergers in der Nacht zum Sonntag markiert vielmehr die
Spitze einer traurigen, brutalen Entwicklung, einer Welle der Gewalt,
die durch Innsbrucks Innenstadt rollt. Auch wenn uns die regelmäßig
veröffentlichten Polizeistatistiken glauben machen wollen, dass sich
die Kriminalität im Sinkflug befinde: Die Realität ist eine andere.
Es ist eine Tatsache, dass sich Frauen (und je länger, je mehr auch
Männer) nächtens nicht mehr in bestimmte Straßenzüge wagen. Aus Angst
vor den eingangs beschriebenen Zuständen.
Es wäre falsch und unfair zu behaupten, die Polizei hätte auf die
zunehmende Gewalt nicht reagiert. Die Anzahl der eingesetzten Beamten
wurde erhöht, für gewisse Personengruppen ein Messerverbot verhängt
und Platzsperren ausgesprochen. Darüber hinaus soll eine ständige
Videoüberwachung der bekannten Hotspots notfalls die Ausforschung
der Täter erleichtern, also vorbeugend wirken.
Aber Verbote und Vorschriften wirken nur so gut, wie ihre
Einhaltung kontrolliert und jeder Verstoß sanktioniert wird. Wo
nötig, mit der vollen Härte des Gesetzes. Die tödliche Messerattacke
vom Wochenende belegt – leider – mit aller Brutalität die
Wirkungslosigkeit der Polizeimaßnahmen. Placebos verhindern keine
Straftaten.
Das Stadtpolizeikommando muss das subjektive Unsicherheitsgefühl
der Menschen in Innsbruck, die sich nächtens nicht mehr auf die
Straßen der Stadt trauen, endlich ernst nehmen. Eine Möglichkeit
wäre, die Zahl der zivilen und uniformierten Fußstreifen in den
neuralgischen Bereichen drastisch zu erhöhen. Allein das Wissen um
die Präsenz von Polizisten sorgt dafür, dass sich Kriminelle ebenso
wie Krawallbrüder zurückhalten.
Es ist völlig klar, dass selbst ein noch so großes Polizeiaufgebot
nicht in der Lage ist, jede Straftat zu verhindern. Es gibt keine
Garantie für die absolute Sicherheit. Das befreit die
Verantwortlichen aber nicht von der Pflicht, es wenigstens versucht
zu haben.
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