
Rechnungshof für regelmäßige Evaluierung und Anpassung der24-Stunden-Betreuung
Ministerin Hartinger-Klein kündigt umfassenden „Masterplan Pflege“ an
Wien (PK) – Mit einer der größten gesellschaftspolitischen
Herausforderungen der Zukunft, nämlich der Organisation der Pflege,
befasst sich ein aktueller Bericht des Rechnungshofs ( III-124 d.B.),
der heute im Ausschuss als zweiter Punkt auf der Agenda stand und
einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Im konkreten geht es bei der
Gebarungsüberprüfung um die 24-Stunden-Betreuung in den Bundesländern
Wien und Oberösterreich in den Jahren 2013 bis 2015. Aufgrund der
großen Nachfrage stiegen die bundesweit ausbezahlten Fördermittel
seit der Einführung dieser Maßnahme im Jahr 2008 von 9,14 Mio. € auf
138,75 Mio. € (2015), wobei der Bund jeweils 60% und die Länder 40%
der Kosten übernehmen. 2015 bezogen bereits 7% der 450.000
PflegegeldbezieherInnen diese Förderung. Die rund 30.400
Betreuungskräfte, die in 99,8% der Fällen auf selbstständiger Basis
tätig sind, kommen vor allem aus der Slowakei und Rumänien (84%).
Die PrüferInnen des Rechnungshofs empfehlen insbesondere eine
Ausweitung des Qualitätssicherungssystems sowie die Durchführung von
verpflichtenden Hausbesuchen durch diplomierte Fachkräfte. Generell
sei es notwendig, das Fördermodell für die 24-Stunden-Betreuung
weiterzuentwickeln und in eine langfristige, gesamtheitliche Planung
aller Pflegeleistungen einzubinden, schlug die Präsidentin des
Rechnungshofs Margit Kraker vor. Sozialministerin Beate
Hartinger-Klein versicherte, dass alle Anregungen aufgegriffen wurden
und sich in Umsetzung befinden. Als Beispiel führte sie die baldige
Umsetzung eines Gütesiegels für die Vermittlungsagenturen an. Das
Thema Pflege sei zudem ein ganz wichtiger Arbeitsschwerpunkt der
Regierung, ein entsprechender Masterplan werde im nächsten Jahr
vorgestellt. Außerdem werde eine parlamentarische Enquete zu diesem
Thema stattfinden.
Rechnungshof plädiert für verpflichtende Hausbesuche in allen Fällen
Im Jahr 2007 schuf der Gesetzgeber die Rechtsgrundlagen für eine
24-Stunden-Betreuung zu Hause und führte die Möglichkeit einer
finanziellen Unterstützung ein, um betroffenen Personen eine legale
und leistbare Betreuung im gewohnten Wohnumfeld zu ermöglichen. Im
Ländervergleich zeigten sich dabei große Unterschiede: So nahmen in
Wien 3.025 Personen (3,6% der PflegegeldbezieherInnen) die Förderung
in Anspruch, in Oberösterreich waren es 5.360 (7,6%). Ziel der
Gebarungsüberprüfung war die Beurteilung der Finanzierung der
24-Stunden-Betreuung, der Förderabwicklung, der Qualitätssicherung,
der sozialversicherungsrechtlichen Aspekte sowie der Planungsvorgaben
und Prognosen in Bezug auf die zukünftige Entwicklung.
Das Land Oberösterreich leistete seit Bestehen der Förderung nicht
den vollen Finanzierungsanteil, sondern überwies im Schnitt nur 31%
der ausbezahlten Gelder an das Ministerium, heißt es im Bericht. Es
beteiligte sich unter Berufung auf die 15a-Vereinbarung nur dann an
der Kostenübernahme, wenn die Betreuungskraft eine theoretische
Mindestausbildung vorweisen konnte. Das Ministerium hielt dies
aufgrund derselben Rechtsgrundlage für unzulässig. Daraus
resultierten hohe kumulierte Forderungen, die per Ende 2015 bereits
11,01 Mio. € betrugen. Eine rechtliche Klärung dieser Frage sowie die
Bereinigung der offenen Forderungen sollten daher herbeigeführt
werden, schlugen die PrüferInnen vor.
Was die Qualität der Versorgung durch 24-Stunden-Betreuungskräfte
angeht, so wurde sie im Rahmen der verpflichtenden Hausbesuche als
sehr gut bewertet. Beanstandet wurde in 10% der Fällen, dass
Betreuungskräfte pflegerische und ärztliche Tätigkeiten
durchführten, obwohl die dafür verpflichtend vorgesehene Delegation
fehlte. Im Gegensatz zu HeimhelferInnen sei keine verpflichtende
theoretische Ausbildung vorgesehen. Umso wichtiger ist es nach
Ansicht des Rechnungshofs, dass das Kompetenzzentrum für
Qualitätssicherung in der Pflege in jedem Fall verpflichtend
Hausbesuche durchführt. Diese ermöglichen die Kontrolle der
sachgerechten Pflege und dienen der niederschwelligen Beratung, etwa
bei pflegerelevanten Fragen.
Zu Beschwerden kam es des Öfteren bezüglich der Geschäftspraktiken
einzelner Vermittlungsagenturen. Von 2013 bis 2015 wurden bei zehn
Agenturen Abmahnungen bzw. Verbandsklagen wegen unzulässiger
Vertragsklauseln durchgeführt. Die Einführung eines Gütesiegels
sollte daher überlegt werden, lautete ein Vorschlag des
Rechnungshofs. Probleme ergaben sich u.a. durch mangelnde Ausbildung
und Sprachkenntnisse, intransparente Preisgestaltung,
Knebelungsverträge oder durch den häufigen Wechsel von
Betreuungskräften. Weitere Vorschläge des Rechnungshofs zielten auf
die Anpassung der 15a-Vereinbarung an den aktuellen Stand sowie die
Implementierung einer geeigneten IT-Applikation, die einen
automatisierten und regelmäßigen Datenabgleich sowie die Kontrolle
der Fördervoraussetzungen (z.B. Versicherungsstatus der
Betreuungskräfte) sicherstellen würde.
Opposition: Von Best-practice-Modellen, besserer Bezahlung,
langfristiger Planung bis hin zu Radikalreform
Für SPÖ-Mandatar Philip Kucher muss eine „menschliche Pflege“ im
Fokus stehen, die sowohl auf die Bedürfnisse der Betroffenen als auch
auf jene der Betreuungskräfte entsprechend Rücksicht nimmt. Die
zahlreichen Beanstandungen in Bezug auf die Vermittlungsagenturen
zeigten, dass es noch viele Probleme gibt. Wichtig seien die
Einhaltung von hohen Qualitätsstandards sowie Fortbildungsmaßnahmen.
Außerdem sollte man sich Best-practice-Modelle in anderen Ländern,
wie z.B. das „community nursing“, näher anschauen.
SPÖ-Rechnungshofsprecherin Karin Greiner war der Auffassung, dass
sich Wertschätzung gegenüber dem Pflegeberuf auch in fairen Gehältern
niederschlagen müsse.
Abgeordneter Wolfgang Zinggl (JETZT) sah in vielen Bereichen
dringenden Handlungsbedarf und forderte eine Radikalreform.
ÖVP-Mandatarin Angela Fichtinger sprach die Durchführung von
Stichproben von Seiten der Landesstellen sowie die IT-Applikation an,
die offensichtlich erst in Teilbereichen zur Anwendung kommt.
Ausschussvorsitzende Irmgard Griss (NEOS) wies darauf hin, dass
derzeit die meisten – vor allem weiblichen – Betreuungskräfte in der
24-Stunden-Betreuung aus den osteuropäischen Nachbarländern kommen.
Wenn sich die Lebensstandards in diesen Staaten verbessern, sei es
aber wohl absehbar, dass weniger Betreuungskräfte nach Österreich
kommen. Es brauche daher einen Masterplan für die Pflege, der auf
Basis ausreichender Daten und unter Berücksichtigung von regionalen
Besonderheiten ein Maßnahmenpaket enthält, um auch in Zukunft die
Pflege sicherzustellen.
Hartinger-Klein: Ganzheitliches Konzept und Aufwertung der
Pflegeberufe notwendig
Bundesministerin Beate Hartinger-Klein bekräftigte noch einmal, dass
die Regierung einen „Masterplan Pflege“ vorlegen wird, der auf einem
ganzheitlichen und umfassenden Ansatz basiert. Es handle sich dabei
um eine der entscheidenden Fragen der Zukunft, betonte die
Ressortchefin, schon jetzt seien 950.000 Menschen in die Pflege und
Betreuung von Angehörigen involviert. Ein wichtiges Element sei dabei
die Attraktivierung des Berufsstandes, was auch einen Imagewandel
implizieren müsse. Wie sie aus Gesprächen mit bei der Steirischen
Krankenanstaltengesellschaft beschäftigten Pflegekräften in Erfahrung
bringen konnte, habe dabei vor allem die Wertschätzung ihrer Arbeit
Vorrang vor anderen Punkten. Die Höhe der Bezahlung komme an letzter
Stelle, hielt die Ministerin Abgeordneter Karin Greiner (SPÖ)
entgegen.
Weiters informierte die Sozialministerin Abgeordnete Fichtinger
darüber, dass seit Dezember 2017 ein automatisierter Datenabgleich
möglich ist, wodurch u.a. ein Übergenuss an Förderungen verhindert
werden könne. Es wurde auch sichergestellt, dass keine historischen
Daten, die für den ordnungsgemäßen Vollzug der Leistung benötigt
werden, gelöscht werden. Zu der Frage der Stichproben merkte die
Ministerin an, dass unangekündigte und verpflichtende Hausbesuche
durchgeführt werden.
Kraker für gesamthafte Planung und für legale, leistbare und
hochwertige Betreuung zu Hause
Richtig sei, dass die Förderung der 24-Stunden-Betreuung von der
Bevölkerung sehr gut angenommen wurde, bekräftige RH-Präsidentin
Margit Kraker. In diesem Teilaspekt der Pflege gab es eine sehr
dynamische Entwicklung, was sich auch an den stark gestiegenen
Ausgaben zeige. Sie ging noch einmal auf die Eckpunkte des Berichts
ein und wies u.a. darauf hin, dass wesentliche Aspekte der
15a-Vereinbarung über die gemeinsame Finanzierung der
24-Stunden-Betreuung nicht aktualisiert wurden, wie z.B. der
Deckelungsbetrag für Fördermittel. Ein Problem ergab sich auch
dadurch , dass aufgrund der Tatsache, dass selbständige
Betreuungskräfte ihr Gewerbe sowie ihre Sozialversicherung
rückwirkend ruhend stellen konnten, nachträglich eine der
Fördervoraussetzungen wegfiel. Abschließend appellierte Kraker an die
politisch Verantwortlichen, gemeinsam mit den Bundesländern das
Fördermodell, das verschiedensten Einflussfaktoren (demographische
und gesellschaftliche Entwicklungen, Arbeitskräfteangebot,
Beschäftigungsverhältnisse etc.) unterworfen ist, regelmäßig zu
evaluieren und gegebenenfalls den veränderten Rahmenbedingungen
anzupassen. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) sue
———————————————————————
Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender