
Bundesarbeitskammer: Sozialversicherung als tragende Säule des Sozialstaates darf nicht gefährdet werden (2)
Hauptversammlung fordert Rücknahme der Gesetzesentwürfe
St. Pölten (OTS) – Eine Rücknahme der Gesetzesentwürfe, mit denen die
Struktur und die Selbstverwaltung der Sozialversicherung in ihren
Grundfesten erschüttert wird, fordert die Hauptversammlung der
Bundesarbeitskammer von der Bundesregierung. Die Sozialversicherung
ist eine tragende Säule des österreichischen Sozialstaates, sie darf
nicht gefährdet werden, erklärt die Hauptversammlung. Gleichzeitig
wird die Bundesregierung aufgefordert, den bisherigen Weg zur
Weiterentwicklung des Gesundheitssystems im Interesse der
Versicherten weiter zu gehen.
Die Gesetzesentwürfe entsprechen den langjährigen Wünschen der
Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Es ist einmalig in
der erfolgreichen Geschichte in der 2. Republik, dass ein derart
weitreichender Eingriff, der tief in die Interessen der
ArbeitnehmerInnen eingreift, ohne ernsthafte Einbeziehung von AK und
ÖGB umgesetzt wird, heißt es im Antrag, der mit überwältigender
Mehrheit gegen die Stimmen der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA)
angenommen wurde.
Die Bundesarbeitskammer kritisiert insbesondere
+ die Schaffung einer vollzentralisierten Einheitskasse:
Mit der Österr. Gesundheitskasse (ÖGK) wird eine vollzentralisierte
Einheitskasse für sieben Millionen Versicherte geschaffen. Die
geplanten Landesstellen haben keinerlei Budgethoheit und sind der ÖGK
gegenüber in allen Belangen weisungsgebunden. Beschlüsse der
Landesstellen können von der ÖGK jederzeit aufgehoben werden.
+ die Machtübernahme durch die Arbeitgeber:
Künftig sollen in den Spitzengremien der fusionierten
Sozialversicherungsträger der Unselbstständigen (ÖGK, PVA und AUVA)
jeweils sechs Dienstnehmer- und Dienstgeber-Vertreter entsendet
werden.
+ den Entzug enormer Mittel aus dem Gesundheitssystem:
Insgesamt werden dem Gesundheitssystem bis inklusive 2023 ca. 1,1
Milliarden Euro entzogen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, das vor
allem die übereilte Fusion zu enormen Kosten führen wird. Legt man
die Erfahrungswerte über die Kosten der Fusionierung (laut
Rechnungshof 213,5 Millionen Euro) der beiden
Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und der Angestellten auf
die Fusionierung der neun Krankenkassen um, ist vorsichtig geschätzt
mit Kosten von 500 Millionen zu rechnen. Weiters hat eine Analyse des
Hauptverbandes ergeben, dass ein bundesweiter Gesamtvertrag mit den
Ärzten um ca 500 Millionen teurer sein wird, als die bestehenden neun
Gesamtverträge der Länder.
+ Die Übertragung der SV-Prüfung an die Finanz:
Künftig wird die gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben unter
der alleinigen Verantwortung des Finanzministeriums durchgeführt. Die
Sinnhaftigkeit dieser Übertragung darf mehr als bezweifelt werden.
Hat doch der Rechnungshof in mehreren Prüfungen nachgewiesen, dass
die Prüfer der Krankenkassen die SV-Agenden drei Mal so effizient
prüfen. So ist der Mehrertrag pro Fall eines SV-Prüfers rund 13.500
Euro, der eines Finanzprüfers nur 3.800 Euro.
+ die Verstöße gegen Verfassungsrecht:
Der Gesetzesentwurf verstößt in zahlreichen Punkten gegen die
Prinzipien der Selbstverwaltung, die der Verfassungsgerichtshof
entwickelt hat. Der wichtigste Punkt ist vor allem die paritätische
Entsendung von Dienstnehmer- und Dienstgeber-Vertreter in die
Spitzengremien der ÖGK, der PVA und der AUVA. Hier legt die
Verfassung fest, dass die Vertreter in den Spitzengremien der
Selbstverwaltung demokratisch aus der Mitte der Mitglieder (der
Versicherten) zu wählen sind. In den genannten Gremien sind die
Dienstgeber aber gar nicht versichert. Eine Einbeziehung der
Dienstgeber aufgrund der Beitragszahlung ist zwar möglich, es kann
aber nicht dazu führen, dass das Selbstbestimmungsrecht der
Dienstnehmer in ihrer Selbstverwaltung verloren geht.
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