Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 7. Dezember 2018; Leitartikel von Manfred Mitterwachauer: „Keine Zeit für Diplomatie“

Innsbruck (OTS) – Die Landesregierung will den Lkw-Transitverkehr
halbieren. Der Besuch von Violeta Bulc heute wäre die Chance für
Günther Platter und Ingrid Felipe, der EU-Kommissarin endgültig klar
zu machen, wie ernst es Tirol tatsächlich ist.

Papier ist geduldig. Die Tiroler Bevölkerung entlang der Inntal-
und Brennerautobahn ist es nicht. 2018 werden laut Asfinag so viele
Schwer-Lkw wie nie zuvor die Hauptmautstelle bei Schönberg passiert
haben. Es dürften knapp 2,5 Millionen Fahrten werden. Weder das
Nacht- noch das sektorale Fahrverbot haben die Zahlen eindämmen
können. Im Gegenteil. Die Luftqualität hat sich zwar, wie der jüngste
Bericht des Umweltbundesamtes bestätigt, etwas gebessert – an der
Tatsache, dass Tirol auch weiterhin ein Luftsanierungsgebiet ist,
ändert das trotzdem wenig.
All das dürfte, nein muss EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc beim
heutigen Tirol-Besuch zu hören bekommen. Wobei: Vielleicht wäre es
besser gewesen, man würde Bulc das Tiroler Transitdilemma auch sehen
und spüren lassen. Stattdessen inspiziert die EU-Kommissarin unter
Tage den Baufortschritt des Brennerbasistunnels (BBT) dies- und
jenseits des Brenners. Dort wird Bulc zwar den Baulärm, nichts aber
von der Lärmhölle entlang der Inntalautobahn mitbekommen. Die Frage
ist berechtigt: Welcher Eindruck schafft mehr Verständnis für die
Anliegen der Tiroler?
LH Günther Platter (VP) und LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) werden
Bulc, der Tunnelpatin, das vorerst nur auf dem Papier existierende,
neue Anti-Transit-Paket mehr als nur ans Herz legen müssen. Die dem
heutigen Polit-Treffen vorangegangene Aufwärmrunde vor der Brüsseler
Beamtenschaft war nämlich ein Schuss in den Ofen, die Ernüchterung
groß. Tirol muss Bulc als Verbündete gewinnen.
Nach wie vor setzt Tirol im Transitkampf gegenüber der EU auf
Diplomatie und Verhandlungen. Das einstige Gezerre um das sektorale
Fahrverbot steckt der heimischen Politik noch in den Knochen.
Letztlich wurde selbiges aber durch die Herausnahme jener Lkw mit
neuester Schadstoffklasse kräftig ausgehöhlt. Nun geht es nicht mehr
anders: Die Fahrverbote müssen auch diese Lkw-Gruppe erfassen. Damit
Tirol wieder saubere Luft atmen und lärmreduziert schlafen kann. Man
ist an einem Punkt angelangt, an dem die Diplomatie ausgedient haben
dürfte. Im Transitkampf ist es Zeit, die Glacéhandschuhe auszuziehen.
Und Klartext zu reden. So wie Platter regelmäßig seine Muskeln gegen
Bayern spielen lässt (Stichwort: Blockabfertigung), müssen selbige
nun auch gegenüber der EU endlich wachsen. Tirol muss die Lkw-Zahlen
halbieren – das ist Bulc heute mit allem Nachdruck zu vermitteln.
Ohne Wenn und ohne Aber.

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