Diskussion zum Volksbegehren zur Abschaffung der ORF-Gebühren imNationalrat

Fraktionen bei Reformbedarf einig, strittig bleibt die Abschaffung der GIS-Gebühren

Wien (PK) – Zeitgleich mit dem „Don’t Smoke“-Volksbegehren und dem
Frauenvolksbegehren lag das Volksbegehren „ORF ohne Zwangsgebühren“
(435 d.B.) in Österreich zur Unterzeichnung auf. 320.264 Personen
bzw. 5,02% der Stimmberechtigten haben die Forderung unterstützt, die
ORF-Gebühren und die von der GIS gleichzeitig eingehobenen
Landesabgaben abzuschaffen und zudem die parteipolitische
Einflussnahme auf ORF-Organe zu beseitigen. Nur so könne die
parteipolitische Unabhängigkeit des ORF sowie ein freier Wettbewerb
sichergestellt werden, sind die InitiatorInnen des Volksbegehrens
überzeugt. Auch eine alternative Finanzierung des ORF aus dem Budget
lehnen sie als „zusätzliche Steuer“ ab.

Eine erste Debatte über das Volksbegehren im Nationalrat brachte in
der heutigen Sitzung einen breiten Konsens für eine notwendige
grundsätzliche Reform des ORF zum Vorschein. Doch ansonsten klafften
die Meinungen der einzelnen Fraktionen auseinander. Das Thema wird
den Verfassungsausschuss beschäftigen.

ÖVP: Von Minister Blümel initiierte Reform der Medienlandschaft
bereits eingeleitet

Abgeordneter Karl Nehammer (ÖVP) befürwortete das Volksbegehren
grundsätzlich als wichtiges Zeichen der direkten Demokratie. Er
gratulierte den Initiatoren für die Erreichung von 320.000
Unterschriften, thematisierte allerdings ein anderes Problem. „Wir
sollten jetzt nicht über das Geld für den ORF sprechen, wenn wir
zuerst die Aufgaben des ORF besprechen müssen. Medienminister Gernot
Blümel hat bereits einen Prozess zur Reform der Medienlandschaft in
Österreich eingeleitet und auch eine Reform des ORF. Es werden dabei
alle MediensprecherInnen eingebunden. Der Wettbewerb soll gestärkt
werden und der österreichische Content gesichert werden.“ Die
Einbindung der privaten Sender sei dabei notwendig, da diese ihre
Rolle zum ORF bereits anders sehen als früher – die Konkurrenz ist
nicht mehr gegeben. Zum Abschluss seiner Rede lud Nehammer noch alle
Fraktionen ein, gemeinsam mit der Regierung an der Strukturreform der
Medienlandschaft mitzuarbeiten.

Abgeordneter Peter Weidinger nannte die Medienenquete einen positiven
und wichtigen Schritt für den verantwortungsvollen Umgang mit
Medienpolitik. „Minister Blümel hat den Prozess eröffnet, dass der
ORF und die gesamte Medienlandschaft komplex zu betrachten ist. Heute
ist mit Video on Demand alles möglich. Es ist auch wichtig zu
beobachten, wie zum Beispiel bei der BBC damit gearbeitet wird. Hier
gibt es Kooperationen mit privaten Internetanbietern. Ich bin
überzeugt, dass auch für uns dieser Weg richtig ist.“

SPÖ sieht Unabhängigkeit des ORF nur durch Gebühren gegeben

Für Thomas Drozda (SPÖ) handelt es sich bei dieser Einladung um kein
konkretes Angebot. „Diesen gemeinsamen Appell kenne ich schon lange –
doch er endet immer dann, wenn es konkret werden soll. Ich habe
Minister Blümel die Zusammenarbeit angeboten, doch da ist nichts
gekommen. Es ist seit einem Jahr Stillstand und mehr als eine teure
Medienenquete war noch nicht viel.“

Warum einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk besondere Bedeutung
zukomme, zeige sich aus der Geschichte der Nachkriegszeit:
„Öffentlich-rechtlicher Rundfunk war eine Antwort auf Propaganda und
Verhetzung. Ich erinnere auch an den Prager Frühling, als der ORF als
einziger Sender sich gegen den Trend gestellt hatte und unabhängig
berichtet hatte.“ Natürlich verändere das Internet die Mediennutzung
der Menschen, Fernsehen heiße für junge Menschen, dass sie ihre
Sendungen überall und jederzeit streamen könnten. Und nur die ältere
Generation würde linear über den Fernseher ihre Sendungen
konsumieren. Dieser Problematik gelte es, sich zu stellen und
Lösungen zu finden.

„Wichtig ist, dass wir die Unabhängigkeit der Finanzierung
sicherstellen. Und nur eine Finanzierung über Gebühren sichert die
Unabhängigkeit des ORF ab. Allerdings müssen diese Gebühren
bundesweit einheitlich sein – es kann nicht sein, dass in einem Land
wie Österreich unterschiedliche Landesgebühren bezahlt werden müssen.
Natürlich muss der öffentlich-rechtliche Auftrag neu definiert
werden. Und dieser ist auch täglich unter Beweis zu stellen“, zeigt
sich Drozda überzeugt. Enorm wichtig sei eine
Digitalisierungsstrategie. Gemeinsam mit Privatanbietern solle eine
gemeinsame Plattform entwickelt werden. Außerdem müsse die Kontrolle
durch den Stiftungsrat gegeben sein.

Auch Andrea Kuntzl (SPÖ) sieht die Unabhängigkeit des ORF gefährdet.
„Wenn 320.000 Personenn ein Volksbegehren unterschreiben, muss man
sich die Frage stellen, warum. Sicherlich nicht, um den ORF in die
Luft zu sprengen. Jedoch wenn er aus dem öffentlichen Budget bezahlt
wird, dann zahlen ihn die BürgerInnen ebenfalls selbst – nur sind sie
nicht mehr direkt spürbar. Doch durch die Gebühren ist der ORF
unabhängig.“ Diese Unabhängigkeit wäre durch die Finanzierung aus den
Bundesfinanzen nicht mehr gegeben.

Mölzer: Auch ich habe gegen die Zwangsgebühren unterschrieben

Für Wendelin Mölzer (FPÖ) sind die 320.000 Unterschriften gegen die
„Zwangsgebühren“ ein eindeutiges Zeichen des Unmuts der
UnterzeichnerInnen. „Die Gebühren sind beim ORF absolut zu
hinterfragen. Ich habe selbst das Volksbegehren unterschrieben. Wenn
ich eine Einrichtung habe, die ihren Auftrag erfüllt, dann kann man
ja darüber reden. Doch wenn dieser Auftrag nur beschränkt erfüllt
wird, dann muss man das schon hinterfragen. Auch die teilweise
tendenziöse Berichterstattung ist sicherlich für viele ein Grund für
die Unterschrift gewesen.“ Es gebe natürlich auch sehr gute Formate
im ORF, sei es ORF3 oder die Landesradios, doch es müsse eine
Strukturreform geben. Die FPÖ werde wie bisher daran mitarbeiten und
dann „zahlen die Menschen vielleicht wieder gerne GIS-Gebühren“.

Unterstützt wurde Mölzer von FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein:
„Natürlich braucht es eine ORF-Reform – das heißt aber nicht, dass
der ORF zerschlagen werden soll. Und natürlich ist die Struktur des
ORF nicht mehr zeitgemäß. Es handelt sich um ein
Milliardenunternehmen und es hat noch immer eine Struktur der
60er-Jahre. So wird seit geraumer Zeit Medienpolitik gemacht am
Küniglberg. Und das nicht besonders erfolgreich.“ Man hätte bis dato
keine Antworten gefunden, wie man mit Mediengiganten umgehen solle.
„Der Medienkonsum findet nicht mehr am Fernseher statt. Also wird man
die Probleme der Zukunft auch nicht dort lösen können. Auch andere
Staaten in Europa ist es gelungen, dass sie die Gebühren abgeschafft
haben“, schloss Jenewein. Susanne Fürst schloss sich ihren
Fraktionskollegen in der Thematik an.

NEOS und JETZT: Kritik an bisheriger mangelnden Umsetzung

Dringenden Handlungsbedarf sieht Claudia Gamon (NEOS) nicht nur in
Sachen Medienpolitik. „Wir müssen auch über digitale Medienkompetenz
in den Lehrplänen der Schulen sprechen. Bisher wurde nur viel
angekündigt, aber es ist nicht viel passiert. Der ORF bewegt
natürlich – denn Medien sind eine wichtige Säule der Demokratie –
doch es ist wichtig, dass wir uns ernsthaft mit Medienpolitik
beschäftigen. Seit dem Regierungsprogramm ist nichts passiert. Das
einzig Auffällige waren die negativen Meldungen von FPÖ-Funktionären
in Richtung von JournalistInnen. Ich erwarte mir, dass endgültig
etwas passiert – und nicht nur in der Medienpolitik.“

Ihr Kollege Alfred J. Noll von JETZT stimmte seiner Vorrednerin zu.
„Nichts ist weitergegangen. Es wird gespart im ORF – aber nur im
Programm. Wichtiger wäre, dem ORF zu helfen, alte Strukturen
aufzubrechen. Der Stiftungsrat sollte verkleinert und aus dem Kuratel
der Politik genommen werden. Wer soll den öffentlich-rechtlichen
Auftrag des ORF überwachen? Wer soll diese Watchdog-Rolle innehaben?
Solange wir das nicht in unabhängige Hände legen – wird es nicht
funktionieren.“

Das Thema wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen. (Fortsetzung
Nationalrat) mar

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