Hartinger-Klein: Keine Ungleichbehandlung von PatientInnen inSpitalsambulanzen

Opposition warnt vor erstem Schritt in Richtung Privatisierung des Gesundheitssystems im Nationalrat

Wien (PK) – Mit einem heute im Laufe der Nationalratssitzung
eingebrachten Entschließungsantrag wollten die Regierungsfraktionen
die Debatte über die von der Opposition beklagte Einführung einer
Sonderklasse in Spitalsambulanzen beenden. Darin wird die
Gesundheitsministerin ersucht, im Rahmen eines geeigneten Monitorings
sicherzustellen, dass keine Unterschiede bei der Behandlung,
insbesondere was den Umfang und die Qualität betrifft, sowie beim
Zugang zur medizinischen Leistung vor allem im Hinblick auf
Terminvergabe und Wartezeiten zwischen den einzelnen
Versichertengruppen gemacht werden. Hartinger-Klein verwahrte sich
gegen die „Horrorszenarien“, die von der Opposition an die Wand
gemalt würden. Es würde ihr nicht einmal im Traum einfallen, dass es
eine Ungleichbehandlung von PatientInnen in Ambulanzen geben kann,
unterstrich die Ressortchefin.

Auslöser des medialen Aufregers der letzten Tage war der Beschluss
der Kranken- und Kuranstaltengesetz-Novelle ( KAKuG) im
Gesundheitsausschuss vor einer Woche. Darin findet sich die Passage,
dass Länder die Möglichkeit zur Einhebung von Sonderklassegebühren
für jene ambulanten Leistungen haben, die bisher stationär erbracht
wurden. Umstritten war vor allem der Zusatz, wonach der Einhebung
solcher Sondergebühren „adäquate Leistungen gegenüber zu stehen“
haben. Auch mit der nun vorliegenden Entschließung, die noch dazu
unverbindlich ist, sei die Frage nicht geklärt, welche Leistungen
darunter fallen, bemängelte NEOS-Mandatar Gerald Loacker. Lautstarke
Kritik kam auch von Seiten des SPÖ-Abgeordneten Philip Kucher, der
die Einrichtung von VIP-Bereichen und Business-Loungen in den
Ambulanzen befürchtete. Als einen „Wunsch ans Christkind“ bezeichnete
Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) den Antrag der
Regierungsfraktionen. Die vom Kanzler in Aussicht gestellte
gesetzliche Klarstellung gebe es nun doch nicht.

Die VertreterInnen der Regierungsfraktionen wiederum sprachen von
einem „politischen Spiel“ der Opposition, das absolut nichts mit den
Tatsachen zu tun habe. Sie wiesen darauf hin, dass etwa auch die
Stadt Wien in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine gesetzliche
Regelung zur Einhebung von Sonderklassegebühren im ambulanten Bereich
einforderte. Anderenfalls würde es zu einem enormen Ausfall von
Einnahmen kommen.

Die Anpassung des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und
Kuranstalten wurde schließlich – ebenso wie der
ÖVP-FPÖ-Entschließungsantrag – mehrheitlich angenommen. Die
Initiative von Seiten der SPÖ und von JETZT, die auf ein explizites
Verbot der Einhebung von Sonderklassegebühren für jede Art von
ambulanten Leistungen im Gesetz abzielte, fand nicht die ausreichende
Unterstützung. Auch der JETZT-Antrag betreffend intransparente und
benachteiligende Sonderklasse in Spitälern blieb in der Minderheit.

Flexiblere und einfachere Spitalsorganisation, Dokumentation von
Krankenhauskeimen und ein Entschließungsantrag

Eigentliche Grundlage der Debatte war eine Regierungsvorlage zur
Anpassung des Kranken- und Kuranstaltengesetzes, die vor allem der
Umsetzung des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG 2017)
dient. Durch die KAKuG-Novelle werden unter anderem weitere – und
gleichzeitig vereinfachte – flexible Formen der Organisation in
Spitälern ermöglicht. Außerdem gibt es im Zusammenhang mit
Infektionen mit Krankenhauskeimen die Verpflichtung, laufend
Aufzeichnungen in elektronischer Form zu führen und entsprechende
Maßnahmen zu setzen.

Die Kritik der Opposition entzündete sich aber an den Erläuterungen
zum Paragraphen 27b Absatz 3, der – so ist es dem Text zu entnehmen –
aufgrund der verbindlichen Anwendung des spitalsambulanten
Abrechnungsmodells ab 1. Jänner 2019 angepasst werden musste. Durch
den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Entschließungsantrag
wird die zuständige Ministerin aufgefordert, mittels eines geeigneten
Monitorings sicherzustellen, dass auch im spitalsambulanten Bereich
„keine Unterschiede bei der Behandlung (insbesondere Umfang und
Qualität) sowie beim Zugang zur medizinischen Leistung (insbesondere
Terminvergabe und Wartezeiten) zwischen PatientInnen der allgemeinen
Gebührenklasse und PatientInnen mit Sondergebührenverrechnung gemacht
werden“. In rechtlicher Hinsicht wird festgehalten, dass Paragraph 27
Abs. 4 KAKuG in der seit 1996 geltenden Form, der schon bisher die
Festsetzung von Sondergebühren für den spitalsambulanten Bereich
ermöglichte, durch die nunmehr vorliegende Novelle nicht geändert
wird. Ein Verbot von Sondergebühren würde zudem dazu führen, dass
zusatzversicherte PatientInnen in den Bereich der privaten
Krankenanstalten abwandern und so dem öffentlichen Gesundheitswesen
wesentliche Einnahmen entgehen.

Auch in Zukunft müsse für alle PatientInnen gewährleistet sein, heißt
es weiter im Antrag, dass es keine Unterschiede bei der Behandlung
sowie beim Zugang zur Behandlung (Zeitpunkt der Behandlung) im
spitalsambulanten Bereich gibt. Die Landesgesetzgebung als
Ausführungsgesetzgeber werde demnach erforderlichenfalls
sicherzustellen haben, dass die Benachteiligung von PatientInnen der
allgemeinen Gebührenklasse bei der Behandlung und beim Zugang zu
medizinischen Leistungen auch im Ambulanzbereich von LKF-finanzierten
Krankenanstalten zuverlässig vermieden wird. Jedenfalls
ausgeschlossen müssen nicht medizinisch indizierte Differenzierungen
(z.B. „fast lane“ oder dergleichen) in Unfall-, Notfall- bzw.
Akutambulanzen sein.

Regierungsfraktionen werfen Opposition massive Verunsicherung vor und
verteidigen Maßnahme

FPÖ-Gesundheitssprecherin Brigitte Povysil ging zunächst auf die
Eckpunkte der KAKuG-Novelle ein, die in Umsetzung des ÖSG einfachere,
flexiblere und interdisziplinäre Organisations- und Arbeitsformen in
den Krankenhäusern gewährleistet. Verbessert werde auch die
Zusammenarbeit zwischen Spitälern und niedergelassenem Bereich, wobei
insbesondere auch auf die regionalen Bedürfnisse eingegangen wird.

Was nun den umstrittenen Passus angeht, so wies die ausgebildete
Ärztin darauf hin, dass es nicht nur politisch gewollt sei, sondern
auch der medizinische Fortschritt dazu beigetragen habe, dass immer
mehr stationäre Leistungen auf ambulante Weise erbracht werden. Durch
die Erläuterungen im Gesetz wollte man erreichen, dass die
Privatversicherungen auch weiterhin in die Pflicht genommen werden
und zudem verhindern, dass Sonderklasse-PatientInnen bei
tagesklinischen Eingriffen (z.B. Chemo-Therapien, Graue
Star-Operationen etc.) nur noch in Privatspitäler abwandern. Den
öffentlichen Krankenhäusern würden dadurch sehr hohe Einnahmen
entgehen, gab Povysil zu bedenken, allein in Oberösterreich würde ein
Defizit von 3 Mio. € entstehen. Insgesamt gebe es 1,8 Millionen
PatientInnen mit Zusatzversicherungen in Österreich, die einen
Beitrag von 880 Mio. € zum Gesundheitssystem und somit auch zur
Finanzierung der Krankenanstalten leisten. Der SPÖ gegenüber stellte
sie fest, dass im sozialdemokratisch regierten Wien allein 1,8 Mrd. €
beim Bau des Krankenhauses Nord verschleudert wurden und die Menschen
teils bis zu acht Stunden in den Ambulanzen zu warten hätten. Auch
wenn durch Paragraph 16 im KAKuG ohnehin schon garantiert sei, dass
es zu keiner Besserstellung von Privatversicherten kommen kann, habe
man einen Entschließungsantrag ausgearbeitet, der noch einmal
klarstellt, dass es keine Ungleichbehandlung von PatientInnen geben
dürfe.

ÖVP-Abgeordneter Norbert Sieber warf der Opposition vor, wider
besseres Wissen Sachen in das Gesetz hinein zu interpretieren, die
gar nie beabsichtigt waren. Es sei nie um den Aufgabenbereich von
Notfallambulanzen, sondern nur um ausgewählte, selektive und geplante
Behandlungen gegangen, die wie bisher von den Spitälern in der
allgemeinen und in der Sonderklasse durchgeführt und als stationäre
Fälle abgerechnet werden. Als Beispiel nannte er Bestrahlungs- und
Chemotherapien. Schließlich erinnerte er noch daran, dass die Stadt
Wien in ihrer Stellungnahme zum Entwurf darauf gedrängt habe, in den
angesprochenen Fällen auch in Zukunft weiterhin Sondergebühren
verrechnen zu können.

Es sei notwendig, das heimische Gesundheitssystem regelmäßig an die
aktuellen Herausforderungen anzupassen, damit es auch weiterhin eines
der besten der Welt bleibt, urteilte Johann Höfinger (ÖVP), der die
Eckpunkte des Gesetzes wiederholte. Wichtig sei auch daran zu
erinnern, dass die Länder bereits seit 1996 die Möglichkeit haben,
geeignete Serviceeinrichtungen für ihre PatientInnen zu etablieren.
Die von der Opposition ständig ins Treffen geführten Vorreihungen von
einzelnen Versicherten werde es keinesfalls geben, bekräftigte er.
PatientInnen sollten dennoch das Recht haben, sich wohl zu fühlen und
die beste medizinische Behandlung zu bekommen, die sie verdienen.

Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) schloss sich den Ausführungen von
Povysil an, wonach die KAKuG-Novelle primär dazu diene, den
Österreichischen Strukturplan Gesundheit 2017 umzusetzen. Es komme zu
einer Vereinfachung der Regelungen, einer Flexibilisierung der
Spitalsorganisation und zu einem Ausbau der interdisziplinären
Zusammenarbeit. Es werde auch die Basis dafür geschaffen, die
Bettenanzahl zu reduzieren, ohne dass es zu Verschlechterungen für
die PatientInnen kommt. Für besonders wichtig erachtete Kaniak zudem
die Verpflichtung zur Dokumentation der immer häufiger auftretenden
Fälle von Infektionen mit speziellen Krankenhauskeimen, die mehrfach
antibiotikaresistent sind, sowie die Bestimmungen in Bezug auf
freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Psychiatrie.

Letzter Punkt sei eben die Einführung eines transparenten,
verpflichtenden und einheitlichen Abrechnungsmodells für alle
ambulanten Leistungen. Dadurch werde es ermöglicht, dass die
Leistungsverlagerung in den ambulanten Bereich nachvollziehbarer und
vergleichbarer wird. Kaniak appellierte an die Opposition, sich nicht
an „fehlerhafte Interpretationen“ zu klammern, sondern dem Gesetz
zuzustimmen. Die Regierungsvorlage sei nämlich Garant dafür, dass es
eben nicht zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommt, hielt Dagmar
Belakowitsch (FPÖ) den Kritikern entgegen.

Opposition beklagt Institutionalisierung der Zwei-Klassen-Medizin

Bei der schon in den Medien breit kolportierten Geschichte mit der
Sonderklasse im ambulanten Spitalsbereich gehe es vor allem um das
Geld, unterstrich NEOS-Vertreter Gerald Loacker, und zwar im
konkreten um jenes der PrimarärztInnen, der Länder sowie der
Versicherungen. Auf die Frage im Gesundheitsausschuss, worin die
Zusatzleistungen in den Ambulanzen bestehen könnten, bekam er von
Seiten der Ministerin und des FPÖ-Abgeordneten Kaniak die Antwort,
„das zeigt sich in einem anderen Wartebereich zum Beispiel“. Dabei
wurde der Vergleich zu den Flughäfen gezogen. Letztendlich konnte die
Frage aber nicht endgültig geklärt werden. Bedauerlicherweise löse
auch der „ganz nette Entschließungsantrag“ das Problem nicht, da
weder der Gesetzestext noch die Erläuterungen geändert werden.
Angesichts der in Österreich bestehenden „hypertrophen
Spitalsstruktur“ müsste man ohnehin über eine grundlegende Reform
nachdenken. Statt aber die Länder dazu zu bewegen, endlich Reformen
anzugehen, unterstütze die Regierung noch diese Haltung mit dem
vorliegenden Gesetz, kritisierte Loacker, und nehme dabei sogar eine
Institutionalisierung der Zwei-Klassen-Medizin in Kauf.

Es sei Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in
Österreich die bestmögliche Gesundheitsversorgung erhalten, betonte
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ). Zudem müsse man danach trachten,
ein optimales Umfeld für die im Gesundheitsbereich beschäftigten
MitarbeiterInnen zu schaffen. Mit dem vorliegenden Gesetz, das
VIP-Bereiche und Sondergebühren in Ambulanzen ermögliche, gehe man
aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Alles das, was es
bereits auf Flughäfen gibt – Lounges mit Ledersofas, WLAN,
Getränkeservice und Snacks – soll nun auch in Österreichs Ambulanzen
Realität werden. „Ist das euer Ernst?“ Dies bedeute nämlich, dass die
Mutter mit dem kranken Kind warten soll, während der Generaldirektor
durchmarschiert, gab Kucher zu bedenken. Damit werde der erste
Schritt in Richtung Privatisierung des Gesundheitssystems
eingeleitet, warnte Verena Nussbaum (SPÖ).

Auch ihre Fraktionskollegin Selma Yildirim zeigte sich entsetzt
darüber, dass es nun wohl doch zu einer Business-Class für
Besserversicherte kommen wird. In einem steuerfinanzierten System
müssen alle die gleichen Leistungen erhalten, forderte sie. Außerdem
trat sie für ein angemessenes und leistungsgerechtes Einkommen für
die Beschäftigten im Gesundheitssystem ein. Durch den von ihr
eingebrachten Abänderungsantrag soll im Gesetz eingefügt werden, dass
die Einhebung von Sonderklassegebühren für jede Art von ambulanten
Leistungen jedenfalls ausgeschlossen ist.

Da die umstrittene Passage in den Erläuterungen noch immer im Gesetz
steht, werde sie der Vorlage keinesfalls zustimmen, erklärte
Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT). Obwohl
Bundeskanzler Kurz eine gesetzliche Regelung in Aussicht gestellt
habe, gebe es nur eine unverbindliche Entschließung, also „einen
Wunsch ans Christkind“. Ebenso wie Loacker wollte sie die Frage
beantwortet wissen, was man nun unter den „adäquaten Leistungen“ für
SonderklassepatientInnen zu verstehen hat. Die bei der stationären
Behandlung mögliche „Hotelkomponente“, also z.B. Einbettzimmer,
spezielle Verpflegungswünsche oder freie Arztwahl, sei im ambulanten
Bereich in der Form nicht umsetzbar. Es kursierten bereits die
verschiedensten Ideen, von der Fast lane, Sonderöffnungszeiten am
Nachmittag bis hin zur Rufbereitschaft für WahlärztInnen etc, die
aber allesamt kategorisch abzulehnen seien. Auch die
Patientenanwaltschaft warne vor den Auswirkungen solcher
Entwicklungen, zumal die Wartezeiten in den Ambulanzen schon jetzt
bis zu acht Stunden betrage.

In einem Entschließungsantrag plädierte Holzinger-Vogtenhuber noch
dafür, das veraltete, intransparente und nicht mehr
leistungsgerechte, sowie auch für einige Ärztegruppen und das
sonstige Gesundheitspersonal benachteiligende, System der derzeitigen
Sonderklassen zu reformieren, und es – an modernen Gesichtspunkten
eines allgemeinen hochwertigen Gesundheitssystems für alle Menschen
orientiert – neu aufzusetzen. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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