
CRISPR: Gefahr und Nutzen der „Genschere“
ÖAW veröffentlicht Stellungnahme zu Berichten über geneditierte Babys in China
Wien (OTS) – Wie Medien weltweit in den letzten Wochen berichteten,
hat ein chinesischer Forscher verkündet, dass die ersten gentechnisch
veränderten Babys zur Welt gekommen seien. Die Embryonen der
Zwillinge seien von ihm mit der „Genschere“ CRISPR editiert worden,
um sie resistent gegen HIV zu machen.
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat
anlässlich dieses Falles nun eine Stellungnahme veröffentlicht, in
der sie sich klar von jeglicher Art des Human Enhancement, also der
genetischen Optimierung und Verbesserung des Menschen, durch Methoden
wie CRISPR distanziert. Die Durchführung von Versuchen an Menschen
ohne vorherige Erlaubnis und ethische Begutachtung durch die
zuständigen Einrichtungen sowie unter Missachtung sowohl der
örtlichen rechtlichen Bestimmungen als auch des internationalen
Konsenses der wissenschaftlichen Gemeinschaft sei eindeutig
abzulehnen, heißt es darin.
Verantwortungsbewusste Forschung zum Verständnis und zur
Weiterentwicklung von Technologien –einschließlich CRISPR – zur
Behandlung von genetischen Erkrankungen sei grundsätzlich zu
begrüßen. „Innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft besteht
jedoch ein breiter Konsens, dass Eingriffe in die Keimbahn des
Menschen mit dem Ziel des Human Enhancement völlig inakzeptabel
sind“, so die Stellungnahme weiter.
Konkret vertritt die ÖAW in ihrer Stellungnahme, die am
vergangenen Freitag von der Gesamtsitzung der Akademiemitglieder
verabschiedet wurde, folgende Positionen zu möglichen Anwendungen der
CRISPR-Technologie in der biomedizinischen Forschung, wobei in den
Life Science-Instituten der Akademie derzeit nur Punkt 1. und 2. zur
Anwendung kommen:
1. CRISPR-Editierung von im Labor gezüchteten Zellen (z.B.
genetisches Screening für potenzielle Wirkstofftargets in
Zelllinien): Vertretbar und zulässig unter der Voraussetzung, dass
geltende Standards für Laborsicherheit und Gentechnik eingehalten
werden.
2. CRISPR-Editierung in Modellorganismen (z.B. Etablierung und
Charakterisierung von transgenen Mausmodellen für die Erforschung
menschlicher Erkrankungen): Vertretbar und zulässig im Rahmen der
strengen Regelungen für Tierversuche in Österreich und Europa.
3. CRISPR-Editierung für die somatische Gentherapie (z.B. Reparatur
erkrankten Gewebes): Vertretbar und zulässig im Rahmen der strengen
Regulierung klinischer Studien im Bereich der Gentherapie und nur
nach ausführlicher Validierung der Technologie in präklinischen
Modellen.4. CRISPR-Editierung der Keimbahn als Gentherapie (z.B.
Korrektur eines Gendefekts im Rahmen einer künstlichen Befruchtung
zur Verhinderung schwerwiegender genetischer Erkrankungen): Aktuell
nicht vertretbar, hochgradig unausgereift und in weiten Teilen der
Welt rechtswidrig. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine
streng geregelte und auf schwerwiegende genetische Erkrankungen
beschränkte Keimbahn-Editierung im Laufe der nächsten 10 bis 20 Jahre
vertretbar und zulässig wird.5. CRISPR-Editierung der Keimbahn mit
dem Ziel des Human Enhancement (z.B. Veränderung der Gene über den
Normalzustand hinaus, um den menschlichen Körper zu verbessern):
Niemals vertretbar und höchst unethisch, da dies unvorhersehbare
Risiken schafft – nicht nur aufgrund der Gefahr von Nebenwirkungen
für den Einzelnen und seine Nachkommen, sondern auch für die
Gesellschaft als Ganzes, als einer neuen Quelle für Ungleichheit und
Diskriminierung.
Angesichts des nun in China bekannt gewordenen Falles von Human
Enhancement sieht die ÖAW die Notwendigkeit einer breiten
gesellschaftlichen Debatte über die Chancen und Risiken des Einsatzes
der CRISPR-Technologie und mahnt eine verstärkte Information der
Bevölkerung über die medizinischen, rechtlichen und ethischen Fragen
der Gentechnik ein. Eine öffentliche Diskussion darüber ist dringend
erforderlich, um das große Zukunftspotential dieser neuen
Technologien positiv für die Gesellschaft, die biomedizinische
Grundlagenforschung und die Behandlung von genetischen Erkrankungen
zu nutzen.
Die ausführliche Stellungnahme ist auf der Website der ÖAW zu
finden unter: [https://www.ots.at/redirect/oeaw7]
(https://www.ots.at/redirect/oeaw7)
Sven Hartwig
Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien
T +43 1 51581-1331
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