Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 19. Dezember 2018. Von PETER NINDLER. „Am Boden der Realität“.

Innsbruck (OTS) – Nicht selten scheitert Tirol in der Bodenpolitik an
der Gemeindeautonomie, was auch einen Schatten auf die Bemühungen für
leistbares Wohnen wirft. Beim elektronischen Flächenwidmungsplan
schlägt jetzt einmal mehr das Höchstgericht Alarm.

Mit den Bodengesetzen ist das immer so eine Sache in Tirol: Seit
nunmehr 24 Jahren, also mit den Jahrhundertgesetzen Raumordnung und
Grundverkehr, befasst sich der Verfassungsgerichtshof in Wien
regelmäßig mit der jeweils geltenden Rechtslage. Und selten hält sie.
Meist, weil das Land am Europarecht und damit an der
Kapitalverkehrsfreiheit bzw. allgemein an den EU-Grundfreiheiten
kratzt. Dafür kann man allerdings Verständnis aufbringen, denn zu
sehr wirbeln illegale Freizeitwohnsitze, Spekulation oder
Gewinnmaximierung die Immobilienpreise in die Höhe. In Tirol werden
Grund und Boden unerschwinglich, die Entwicklung steht den
Landes­interessen diametral entgegen.
Diesmal geht es hingegen um die Gemeindeautonomie, in die das Land
mit der Kundmachung der elektronischen Flächenwidmungspläne
hineinregiert. So der Vorwurf der Höchstrichter. Eine spannende
Geschichte. Obwohl sich das Land Tirol gegen die Auslegung des
Höchstgerichts stemmen wird, lässt das Gesetzesprüfungsverfahren
nichts Gutes erwarten. Dass in letzter Konsequenz die Aufhebung von
278 Flächenwidmungsplänen droht, ist aus der Sicht der
Landesverwaltung wohl ein administratives Fiasko. Andererseits zeigen
die höchstgerichtlichen Bedenken dem Land gerade vor der Reform der
Bodenpolitik für leistbares Wohnen die Grenzen auf.
Hier spießen sich Anspruch und Wirklichkeit: Manchmal wäre es nämlich
wünschenswert, wenn das Land regelnd auf die Bodenpolitik der
Kommunen einwirken könnte. Flächennutzung und Wohnungspolitik gehören
schließlich untrennbar zusammen, derzeit driften sie jedoch zulasten
der Bevölkerung auseinander. So gesehen befindet sich die
Landesregierung in einem Schraubstock. Auf der einen Seite presst die
Europäische Union und auf der anderen die Gemeindeautonomie. Das
engt den politischen Handlungsspielraum schlussendlich massiv ein,
für eine mutige Wohnungspolitik bleibt da ebenfalls nicht mehr viel
Platz. Zudem werden Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau
dann vornehmlich dort ausgehebelt, wo sie am dringendsten benötigt
werden: in der Landeshauptstadt Innsbruck.
Das alles nützt nichts, die Gemeinde­autonomie ist in der
Bundesverfassung fest verankert. Das Dorf regelt sich seine
Angelegenheiten selbst. Das wird das Land beim elektronischen
Flächenwidmungsplan wohl auch zur Kenntnis nehmen müssen. Die
Auswirkung mit den Flächenwidmungsplänen ist groß, der gesetzliche
Handlungsbedarf jedoch mehr als überschaubar.

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