Redakteursrat: ORF muss unabhängig bleiben!

Budgetfinanzierung würde ORF noch mehr dem Willen der Regierungsparteien ausliefern

Wien (OTS) – Zur aktuellen Debatte über die Finanzierung des ORF hält der Redakteursrat fest: Wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit gehören zu den wichtigsten Kriterien für die Arbeit von JournalistInnen. Die Umstellung auf eine Finanzierung aus dem Staatsbudget führt dazu, dass der ORF noch stärker dem politischen Willen der Regierungsparteien ausgeliefert wäre. Bei der von der Regierung im Vorjahr veranstalteten Medienenquete haben sich alle Beteiligten – nationale wie internationale Experten und selbst private Medienmacher – gegen eine Finanzierung aus dem Staatsbudget ausgesprochen.

Dass die Regierung den Zugriff vor allem auf die Nachrichtensendungen will, haben FPÖ-Politiker bereits mehrfach unmissverständlich und öffentlich klargemacht. In mehreren Fällen wurde – etwa weil diese Regierungspartei mit Beiträgen oder Interviews unzufrieden war – der direkte Eingriff in die Redaktionen verlangt, bis hin zur Entfernung von ModeratorInnen oder zur Forderung nach der Entlassung von JournalistInnen. Das von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ favorisierte „Dänische Modell“ zeigt deutlich die Auswirkungen, die eine Umstellung auf Budgetfinanzierung auf den öffentlich-rechtlichen Sender hat: Der erfolgreiche dänische Rundfunk DR musste drei TV-Stationen und drei Radio-Stationen einstellen, 400 MitarbeiterInnen wurden gekündigt.

Das Argument einer Ersparnis für die Gebührenzahler ist nicht nachvollziehbar, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk statt über eine Gebühr die selbe Summe aus dem Steuertopf bekommen soll. Wo liegt für StaatsbürgerInnen der Unterschied im Geldbörsel? Die Abschaffung der Gebühr mit populistischen Argumenten – „wir ersparen jedem Haushalt die monatliche GIS“- ist demnach reine Augenauswischerei, wenn der ORF den selben Betrag aus dem Budget bekommt. Denn auch dann wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen finanziert, allerdings mit deutlich stärkeren Lenkungsmöglichkeiten durch die Regierungsparteien. Politiker, über die wir täglich distanziert, objektiv und kritisch berichten, entscheiden dann, wie viel ihnen diese Arbeit wert ist. Aus unserer Sicht eine klare Unvereinbarkeit und ein Widerspruch zur gesetzlich garantierten Unabhängigkeit des ORF. Bei der Gebühr ist transparent, wofür sie bezahlt wird und was damit passiert. Beim Steuertopf ist das völlig unklar und es würde politischen Tricksereien Tür und Tor öffnen. Es können dann leicht Populisten mit unseriösen Gegenrechnungen den Rundfunk gegen andere steuerfinanzierte öffentliche Aufgaben ausspielen: Pflegefinanzierung gegen Landesstudios, Pensionsanpassung gegen Nachrichtensendungen…

Bestimmen die Parteien über das Geld, mit dem Sendungen und JournalistInnen bezahlt werden, bestimmen sie letztlich auch, worüber berichtet werden kann und worüber nicht. Das mag im Sinne der Regierung sein, im Sinne des Publikums ist es sicher nicht. Internationale Beispiele haben gezeigt, dass die Finanzierung aus Steuermitteln zu politischem Druck und zur Marginalisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen kann, in Spanien, den Niederlanden oder Rumänien. Zumal die Parteien und Regierungsstellen in Österreich in den letzten Jahren ihre eigenen Medienauftritte und PR-Maßnahmen massiv ausgebaut haben. Immer mehr MitarbeiterInnen von Partei- und Regierungspressediensten stehen immer weniger unabhängigen JournalistInnen gegenüber. Aber professionell aufbereitete Nachrichten aus unabhängiger Quelle sind eine wesentliche Infrastruktur für unsere Demokratie.

Es gibt inzwischen genügend Beispiele, was mit einer Gesellschaft passieren kann, wenn Regierungen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ihrem parteipolitischen Sinne umbauen. Die Regierungen in Polen, Ungarn oder der Türkei haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entweder ganz in ihre Hand gebracht oder ihn zerschlagen und der Reichweite beraubt. Denn unabhängige Medien verbreiten nicht die „Wahrheiten“, die sich manche Politiker wünschen. Aber eben diese unabhängigen Qualitätsmedien, und dazu gehört der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sind demokratiepolitisch wichtig für Österreich, damit sich Wählerinnen und Wähler selbst ihr Bild machen können über politische und gesellschaftliche Themen. Und nicht angewiesen sind auf die Informationen, die Parteien und Regierung zur Verfügung stellen.

Schon in der Vergangenheit haben die Parteien – nicht nur ÖVP und FPÖ – versucht, über Postenbesetzungen Einfluss auf den ORF zu nehmen. Dagegen haben sich die Redaktionen immer gewehrt und auf ihre Unabhängigkeit beharrt. Das ist uns in unseren Sendungen bisher auch gelungen. Der Beweis dafür sind die höchsten Vertrauenswerte für den ORF in der Bevölkerung unter allen heimischen Medien, hohe Einschaltquoten in den Informations-Sendungen und zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen für ORF-JournalistInnen.

Der Redakteursrat

Dieter Bornemann Peter Daser Margit Schuschou

Dieter Bornemann, M.A.
Vorsitzender des Redakteursrates
Tel.: 01/87878/12 457

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