
TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Kontinuität da, wo sie keiner braucht“, von Florian Madl
Ausgabe vom 4. April 2019
Innsbruck (OTS) – Österreichs Sport erfindet sich im Wechsel der politisch Verantwortlichen stets neu. Das löbliche Ansinnen der elf Sportminister seit der Jahrtausendwende führte zu vielen Projekten, aber noch nicht zu einem effizienten System.
Karl Schweitzer, Reinhold Lopatka, Norbert Darabos, Gerald Klug, Hans Peter Doskozil und nun Heinz-Christian Strache. Alle erkannten sie, ob als Staatssekretäre oder als Minister, die große Bedeutung des Sports. In bester Herkules-Manier versuchten sie sich am Ausmisten eines Augiasstalls. Und fürwahr: Das hochstilisierte Thema Doping ist nicht das, was dem heimischen Sport gegenwärtig am meisten zu schaffen macht. Die Debatte um unerlaubte Leistungssteigerung legte sich, zumal bei der Nordischen Heim-Weltmeisterschaft in Seefeld hereingebrochen, wie ein Schatten über das Geschehen. Aber bedenklich erscheint vielmehr das, was sich im heimischen Sport auf Personalebene ereignet. Kontinuität dort, wo man sie sich nicht wünschen würde: auf Funktionärsebene, wo mit Heinz Jungwirth der Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC) über Malversationen stolperte. Oder der Förderskandal um ein Unternehmen für Leistungsdiagnostik (IMSB), das Hans Holdhaus seit 1982 betreute. Auf politischer Ebene fehlt es hingegen an Langzeit-Vertretern. Jeder Sportverantwortliche – und davon gibt es seit Beginn des Jahrtausends elf – musste sich einarbeiten, um dann wieder zu gehen. Bis ruchbar wurde, wo Förderungen salopp oder „nicht adäquat“ verwendet wurden, wo Sport-Geld in der Bürokratie versickerte, war die jeweilige Periode schon wieder vorbei. Allein die jüngsten internen Berechnungen, was die Effizienz der Sporthilfe anbelangt, lassen am Förderwesen Zweifel aufkommen: Wenn nur ein Drittel des Budgets beim Sportler landet, klingeln die Alarmglocken.
Minister Heinz-Christian Strache attestieren Sportfunktionäre Engagement, von der Schule bis zum Spitzensport will der Ex-Fußballer alles umkrempeln und selbst ein Plädoyer für ein Nationalstadion in Wien geht sich für ihn aus. Das Feld ist dermaßen groß, dass ein Traktor allein es nicht zu bestellen vermag.
Es geht nicht darum, Medaillengewinner zu produzieren. Aber es geht darum, ein sportfreundliches Umfeld zu schaffen, das Schulen und Vereine vernetzt; das den Übergang der Talente in den Erwachsenensport erleichtert. Und es geht darum, dass die bewegungsfeindliche Digitalisierung nicht auf Kosten des Sports geht. Wir diskutieren über die Kosten des nicht mehr finanzierbaren Gesundheitssystems – und bekämpfen das Übel nicht bei einer seiner Wurzeln.
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