TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 20. September 2019 von Peter Nindler – Das Gespür für Sicherheit

Innsbruck (OTS) – Die Migrationsdebatte leidet an mangelnder Differenzierung. Geht es um Sicherheit, wird deshalb eine schwer beschädigte Marke wie die Flüchtlingsgesellschaft Tiroler Soziale Dienste leicht zum Spielball zwischen Realität und Übertreibung.

Integration und Flüchtlingsbetreuung bewegen sich seit Jahren in einem Spannungsfeld von gut gemeintem Bemühen und politischem Versagen. Die Flüchtlingskrise machte das Fremde zur Herausforderung, zugleich wird es als Bedrohung für den europäischen Kultur- und Lebensraum gesehen. Also salopp gesagt für die Heimat. Unabhängig davon, dass seit der Flüchtlingswelle 2015 die Asylzahlen und die illegale Einwanderung stark zurückgehen, mangelt es der Migrationsdebatte an Differenzierung. Wer argumentiert, verliert, vielmehr soll Schwarz-Weiß in Wählerstimmen umgemünzt werden. Heruntergebrochen auf die Tiroler Sozialen Dienste (TSD) muss sich die Flüchtlingsgesellschaft den Vorwurf gefallen lassen, dass sie mit der Ausgliederung der Flüchtlingsagenden in eine eigene Betreuungsstruktur den damit verbundenen Zielsetzungen nicht gerecht geworden ist; weder strukturell, personell noch budgetär. Das haben vor allem der ehemalige TSD-Geschäftsführer Harald Bachmeier operativ und Ex-Sozialreferentin Christine Baur (Grüne) politisch zu verantworten. Probleme wurden kleingeredet. Damit beschleunigte sich jedoch der Vertrauensverlust. In der öffentlichen Wahrnehmung können die TSD deshalb bis heute eigentlich gar nichts mehr richtig machen, obwohl tatsächlich vieles bewältigt wurde.
Bis zu 6800 Flüchtlinge haben die TSD am Höhepunkt der Flüchtlingskrise versorgt. Die Herausforderungen wurden mit Engagement der TSD-Mitarbeiter und solidarischem Handeln der Zivilgesellschaft bewältigt. Ein Asylchaos hat es in Tirol nicht gegeben, ebenso wenig Sicherheitslücken. Was aber nicht heißt, dass die Flüchtlingsbetreuung eine Insel der Seligen ist. Der Mord an einer Syrerin hat Anfang des Jahres eine Sicherheitsdebatte in Asylunterkünften ausgelöst. Natürlich, und dafür benötigt es ebenfalls einen nüchternen und realistischen Blick, sind sie Konfliktzonen und Reibungsflächen. Ja, es gibt strafrechtlich relevante Vorfälle und Gewalt in den Flüchtlingsunterkünften, aber hauptsächlich im niederschwelligen Bereich.
Nur für eine bereits beschädigte Marke wie die TSD ist jede Sicherheitsdiskussion Gift. Umso mehr muss ihr offensiv und mit Realitätssinn begegnet werden. Das war nicht immer der Fall. Die Schwarz-Weiß-Überzeichnung mit den 609 Vorfällen in Asylheimen im heurigen Jahr dürfte die Verantwortlichen jedoch sensibilisiert haben. Im Gespür für das Grundbedürfnis in der Bevölkerung:
Sicherheit.

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