Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 30. Oktober 2019. Von ALOIS VAHRNER. „Viel Lärm um erwartbares Lohnplus“.

Innsbruck (OTS) – Die Metaller haben die Lohn-Latte mit plus 2,7 Prozent für die anderen Branchen relativ hoch gelegt. Abseits der längst überflüssigen Rituale und Drohgebärden war es aber ein inhaltlich wenig spektakulärer Abschluss.

The same procedure as every year“ (dieselbe Prozedur wie jedes Jahr) heißt es im Silvester-TV-Klassiker „Dinner for One“. Ähnliches gilt beim Regieplan für die wegen ihrer Signalwirkung für die anderen Branchen stets vielbeachtete Metaller-Lohnrunde: Schon Wochen vor dem Verhandlungsstart zur Herbstlohnrunde gibt es öffentliche Geplänkel. Dabei betonen die Gewerkschaften, dass man heuer ordentlich zugreifen wolle, während die Arbeitgeber gebetsmühlenartig vor allzu hohen Abschlüssen warnen. So als ob sich am Verhandlungstisch nicht Gewerkschafter und Arbeitgeber gegenübersitzen würden, sondern die Öffentlichkeit mitverhandeln dürfte. Zum Ritual gehört auch, dass sich dann in den ersten Runden sehr wenig bewegt und die Gewerkschaften irgendwann zu ihrem Arbeitskampf-Arsenal mit Betriebsversammlungen bis hin zu Warnstreiks greifen. Schließlich (diesmal in der fünften Runde) kommt es nach einem vielstündigen Verhandlungsmarathon zur Einigung, nach der beide Seiten beteuern, bis an den Rand des Möglichen gegangen zu sein – vor allem als Signal an die eigenen Mitglieder. Und nachdem man sich vorher wochenlang mit allerlei Unfreundlichkeiten eingedeckt hat, wird von Gewerkschaftern und Unternehmens-Vertretern das Funktionieren der Sozialpartnerschaft gelobt.
Wie ist die heurige Metaller-Einigung inhaltlich zu bewerten? Mit durchschnittlich 2,7 Prozent Lohnerhöhung legte man die Lohn-Latte für die anderen Branchen relativ hoch, weil die Erhöhung doch deutlich über der prognostizierten Inflation (im Bereich 1,5 bis 1,7 Prozent sowohl heuer als auch nächstes Jahr) liegt. Es gibt also trotz der eingetrübten Konjunkturaussichten wieder einen realen Einkommenszuwachs, wenn der Staat über die kalte Progression leider auch wieder einen Teil des Zuwachses abschöpfen wird.
Alles in allem war es ein wenig spektakulärer und in diesem Ausmaß auch erwartbarer Abschluss, für den man sich bei entsprechendem Willen einige Verhandlungsrunden hätte sparen können. Der im Vorfeld zu einem Hauptthema erklärte generelle Anspruch auf eine Viertagewoche als Reaktion auf die unter Türkis-Blau beschlossenen flexibleren Arbeitszeit-Möglichkeiten wurde vorerst ad acta gelegt. Für den Standort Österreich, der in den letzten Jahren nach Einbußen in verschiedenen Rankings doch wieder etwas Boden gutgemacht hat, ist es jedenfalls positiv, wenn Konflikte ohne Streiks gelöst werden können. Noch besser wäre es, wenn die Sozialpartner verschiedene Zukunftsfragen gemeinsam angehen würden.

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