TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Urlaub in Österreich“, von Anita Heubacher

Ausgabe vom Mittwoch, 19. August 2020

Innsbruck (OTS) – Österreich verhängt eine Reisewarnung für Kroatien ab 792 Neuinfektionen, Deutschland ab 2100. So weit zur Logik von Reisewarnungen und zum anhaltenden Versagen der EU. Im Winter treffen Reisewarnungen vor allem Österreich.

Eigentlich ist die Sommersaison in Tirol sehr viel besser gelaufen als erwartet. Derzeit ist es ein Minus von 15 bis 20 Prozent. Es hätte weit größer sein können. Die Reisewarnungen der österreichischen Bundesregierung haben geholfen und den Österreichern den Urlaub zu Hause so richtig schmackhaft gemacht. Um die Deutschen hat man sich hingebungsvoll und rechtzeitig gekümmert, auf die Niederländer gar nicht so genau geschaut. Gekommen sind sie alle. Jetzt, gegen Ende der Sommerferien, werden die Österreicher wieder vor Reisen ins Ausland gewarnt. Das könnte den heimischen Touristikern auch noch einen goldenen Herbst bescheren. Dann wird es allerdings eng, weil Winter. Von etwaigen Reisewarnungen ist dann vor allem Österreich betroffen. Denn die Konkurrenz in Europa mit Wintertourismus ist enden wollend.
Praktisch über Nacht hat Österreich eine Reisewarnung für Kroatien ausgesprochen. Nicht für Split, für Makarska oder die Insel Pag, sondern für das gesamte Gebiet. Daraufhin verließen Tausende österreichische Urlauber panisch Kroatien, infiziert oder nicht infiziert, das sei einmal dahingestellt. An der Grenze versucht die Bundesregierung, das zu kontrollieren, was kaum zu kontrollieren ist, und schickt Militär und Polizei. Allein am Karawankentunnel hat es von Sonntag auf Montag 5000 Grenzübertritte gegeben. Spätestens jetzt drängt sich die Frage auf, ob wir aus Ischgl gar nichts gelernt haben.
Es ist nicht wirklich so entscheidend, wo man in Europa Urlaub macht, am bes­ten man macht es anders als das Außenministerium und differenziert innerhalb der Länder. Viel ausschlaggebender ist das Wie. Party feiern geht weder in Makarska noch am Ballermann in Spanien und schon gar nicht in Innenräumen wie beim Après-Ski oder bei der Karnevalssause.
Die Corona-Krise offenbart erneut das Eigeninteresse der Nationalstaaten und die Schwäche der EU. Österreich verhängt für Kroatien bei 792 Neuinfektionen in sieben Tagen spontan von Freitag auf Montag eine Reisewarnung, Deutschland legt im Juni fest, dies generell bei 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner zu tun. Im Fall von Kroatien heißt das Reisewarnung bei 2100 Neuinfektionen, Österreich reichen 792. Österreicher, die aus Kroatien kommen, müssen einen teuren Corona-Test machen, deutsche Rückkehrer können sich freiwillig kostenlos testen lassen.
Die Logik ist schon lange auf der Strecke geblieben. In der Corona-Debatte siegt ohnehin die Emotion.

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