Leitartikel „Der Föderalismus endet in Grinzing“ vom 19. Mai 2021 von Peter Nindler

Innsbruck (OTS) – Die aktuelle Studie vom renommierten Föderalismusinstitut zu Zentralisierungs- und Dezentralisierungstendenzen im Auftrag der Tiroler AK hält dem Föderalismus in Österreich den Spiegel vor. Länder und Regionen werden ausgehebelt.

Von Peter Nindler
Der Befund des Direktors des Instituts für Föderalismus Peter Bußjäger über die schleichende Aushöhlung des Bundesstaates ist ernüchternd. So zeigt seine Analyse für Tirol, dass die vergangenen 20 Jahre von einer massiven Zentralisierung der Bundesverwaltung geprägt waren. Gleichzeitig deckt Bußjäger damit den größten politischen Flop im Verhältnis zwischen Bund und Ländern auf. Schließlich hat die ÖVP im Nationalratswahlkampf 2017 mit einem „Masterplan für den ländlichen Raum“ geworben und den damaligen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter mit der Botschaft, 3500 Bundesbeamte zu verländern, wahlkämpfend durch die Republik geschickt. Genutzt hat es nichts: Der Masterplan ist Geschichte, Rupprechter seit vier Jahren ebenfalls und 65 von 68 Bundesstellen sind weiter fest in Wien verankert.
Da könnte sich die Bundesregierung von Bayern eine Scheibe abschneiden, dort wird nämlich schon seit Jahren dezentralisiert. Ministerpräsident Markus Söder, der vorher Finanz- und Heimatminister war, hat damit die Peripherie aufgewertet und attraktive Jobs im ländlichen Raum geschaffen. Und Österreich? Für eine teure Wahlkampfshow reicht’s allemal, schlussendlich haben allerdings weder ÖVP, SPÖ, Grüne, FPÖ oder NEOS ein Interesse, den Föderalismus zu stärken. In Wahrheit endet ihr Regionalismus in Grinzing oder Ottakring. Und notfalls im wenige Kilometer entfernten Klos-
terneuburg, wohin das Umweltbundesamt ursprünglich öffentlichkeitswirksam nach Niederösterreich (!) übersiedeln sollte. Aber es beginnt bereits im Bundesrat, der den Namen Länderkammer nicht einmal ansatzweise verdient, sondern lediglich der verlängerte Arm der Parteizentralen ist. Die Bundesräte denken brav Hände aufhaltend in Parteifarben und treten damit die Länderinteressen mit Füßen. Das ist bei den Tiroler Abgeordneten nicht anders als bei ihren Kollegen aus den anderen Bundesländern. Die Schwäche des Föderalismus setzt sich – vor der Haustüre und natürlich mit Tiroler Hut – in den Sonntagsreden fort, die längst in den Ohren schmerzen.

Schon einmal hat das Innsbrucker Föderalismusinstitut auf die großen volkswirtschaftlichen Chancen einer echten Verländerung der Bundesverwaltung hingewiesen. Das Bruttoregionalprodukt würde sich um 1,5 Milliarden Euro und die Lohnsumme um knapp 700 Millionen Euro erhöhen. Im Durchschnitt kämen auf 100 verlagerte Dienstposten zusätzlich 40 bis 50 weitere Arbeitsplätze in den Regionen.
Und was tut Österreich? Der Zentralisierungsschub nimmt Jahr für Jahr noch mehr Fahrt auf. Leider.

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