
TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Mut zur Gegenreaktion“, Ausgabe vom 25. Mai 2021 von Carmen Baumgartner-Pötz.
Innsbruck (OTS) – Weißrussland schüchtert Journalisten ein und brüskiert den Westen. Die EU muss auf Alexander Lukaschenkos Eskalationsmodus mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren, wenn sie noch ernst genommen werden will.
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert regiert Alexander Lukaschenko Weißrussland mit autoritärer Hand. Eingepfercht zwischen West und Ost macht „der letzte Diktator Europas“, wie ihn seine Gegner nennen, was er will. So ist auch die durch ihn veranlasste Flugzeugentführung – denn nichts anderes war die „Umleitung“ einer Ryanair-Maschine nach Minsk – zu sehen: als angsteinflößende Machtdemonstration nicht nur gegenüber oppositionellen Kräften, sondern auch gegenüber dem Westen. Das unmissverständliche Signal an kritische Journalisten, NGOs, Oppositionspolitiker lautet: Egal, wo ihr gerade seid, irgendwann kriegen wir euch. Sicherheit gibt es nicht. Auch nicht, wenn ihr von einer EU-Hauptstadt in eine andere fliegt. Die Vorstellung, auf einem vermeintlich harmlosen innereuropäischen Flug zur Landung gezwungen zu werden, weil ein Diktator einen unliebsamen Journalisten aus der Maschine herausfischen will, war bis vor Kurzem denkunmöglich. Nun hat Lukaschenko eine weitere rote Linie überschritten. Überraschend kommt das nicht: Monatelange Massenproteste gegen das sehr wahrscheinlich gefälschte Wahlergebnis vom vergangenen Sommer wurden niedergeschlagen, Zehntausende Menschen festgenommen. Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter und Todesfällen. Dass die Spitzen der EU sowie Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten Weißrussland einmal mehr Sanktionen androhen und die Freilassung von Roman Protassewitsch fordern, ist das absolute Minimum an Reaktion. Die Möglichkeiten, das Regime in Minsk empfindlich zu treffen, gehen freilich noch weiter: Eine Sperre des weißrussischen Luftraums für internationale Flüge sowie ein Landeverbot für weißrussische Fluglinien, wie es am EU-Sondergipfel besprochen werden sollte, gehören dazu.
Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja brachte bei einem Besuch in Wien vor einem Monat die Wirtschaft als wichtigen Hebel ins Spiel:
Der Telekommunikationsriese A1 betreibt eines der größten Handynetze im Land und wird bei Demos oft gezwungen, das Internet abzuschalten. Das Unternehmen sollte Bedingungen stellen, schlug Tichanowskaja vor. Der US-Historiker Timothy Snyder legt Deutschland nahe, auf die Pipeline Nord Stream 2 zu verzichten. Denn ohne Rückendeckung aus Moskau hätte Minsk den Flugzeug-Coup nie gewagt, erklärt er auf Twitter. Schließlich ist auch Russlands Präsident Wladimir Putin bekannt dafür, Regimekritikern mit Härte zu begegnen. Der Westen kommt um ein Bekenntnis, auf wessen Seite er steht, nicht mehr herum. r steht, nicht mehr herum.
Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender