WIFO: Mit Digitalisierung und Dekarbonisierung aus der Krise

WIFO-Studie im Auftrag der OeNB beleuchtet wirtschaftspolitische Hebel zur Forcierung von Investitionen

Wien (OTS) – Mit dem absehbaren Ende der COVID‑19-Pandemie stellt sich die Frage, wie die österreichische Wirtschaftspolitik die Erholung nutzen kann, um den Strukturwandel zu steuern und zu begleiten. Vor diesem Hintergrund untersucht eine Studie des WIFO im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank wirtschaftspolitische Hebel zur Forcierung von Investitionen. Besonderes Augenmerk wird auf die Digitalisierung und die Bewältigung des Klimawandels gelegt.

Investitionen sind zentral für die Gestaltung des Aufholprozesses nach der durch die COVID‑19-Pandemie verursachten Rezession. Diese sind nicht nur wichtige Treiber von Wachstum und Beschäftigung, sondern auch ein Vehikel der Verbreiterung neuer Technologien, die wirtschaftliche Prozesse und Strukturen mitunter tiefgreifend verändern. Dies führt zu folgender Forschungsfrage: Wie kann die öffentliche Hand nach der weiteren Aufhebung der pandemiebedingten Beschränkungen Investitionen unterstützen, damit nationale und europäische Zielvorgaben erreicht werden? Eine Studie des WIFO im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank untersucht Ansatzpunkte der Wirtschaftspolitik in zwei Bereichen, die beide eine Querschnittsmaterie darstellen.

* Der „Digitalisierung“, die durch die Nutzung technologischer Neuerungen im IKT‑Bereich getrieben wird. Die Studie untersucht die Position Österreichs mittels eines quantitativen Benchmarkings der österreichischen Performance und eine Literaturrecherche.

* Die „Dekarbonisierung“, d. h. das Erreichen der CO2‑Neutralität der Wirtschaft und Gesellschaft, ist eine Notwendigkeit, die aus dem menschengemachten Klimawandel folgt. Sie leitet sich aus naturwissenschaftlichen Forschungserkenntnissen ab. Die Hebel wurden anhand einer Stakeholder-Befragung erarbeitet.

Hebel zur Förderung von Investitionen in die Digitalisierung

1. Hinreichende Datennetze sind eine notwendige Voraussetzung der
Nutzung digitaler Technologien. Österreich hat Potential bei der
Verbesserung der Netzabdeckung, insbesondere bei schnellen
Übertragungsraten von über 100 Mbit/s und bei der Reduktion des
Stadt-Land Gefälles. Zwar hat die „Breitbandmilliarde“ vor allem in
den ersten Umsetzungsjahren den Ausbau beschleunigt, am aktuellen
Rand scheint die Dynamik sich jedoch zu verlangsamen. Gerade im
ländlichen Raum stoßen private Netzbetreiber trotz Förderungen an
Rentabilitätsgrenzen. Die kürzlich beschlossene Weiterführung der
Förderung ist begrüßenswert. Dennoch werden weitere öffentliche
Mittel benötigt werden, sofern die Wirtschaftspolitik weiter das Ziel
einer quasi-flächendeckenden Versorgung anstrebt. Eine
Quasi-Vollversorgung mit Glasfaser würde Investitionen von etwa 8
Mrd. € benötigen. Der Telekomsektor operiert seit der Liberalisierung
im Spannungsfeld privater Netzbetreiber einerseits und öffentlichen
Zielvorgaben andererseits. Hinsichtlich der Marktorganisation zeigt
sich, dass die regionale öffentliche Hand als Betreiberin passiver
Infrastrukturen in PPP‑Modellen den Ausbau deutlich forcieren kann.
Der in den letzten Jahren entstandene und stetig verbesserte
„Breitbandatlas“, die Grundlage der Festlegung förderwürdiger
Gebiete, sollte auf effektiven Übertragungsraten fußen. Bei der
Vergabe sollte verstärkt die Diskrepanz zwischen regionalen Zentren
und der Peripherie berücksichtigt werden. Jedenfalls soll der
geförderte Ausbau anhand der tatsächlichen Netzperformance bewertet
werden.
2. Nutzungsdaten deuten auf Schwächen in der Diffusion von
prozessbezogenen IKT-Diens­ten hin, was die niedrigen
gesamtwirtschaftlichen Wachstumsbeiträge von IKT-Investi­tionen
erklären kann. IKT-Investitionen werden oft nicht von
innerbetrieblichen Reorganisationen begleitet. Die IKT-Diffusion
sollte durch Awareness-Programme und der Unterstützung von
betrieblichen Prozessanpassungen bei IKT-Projekten gefördert werden,
wie dies bereits im Programm „KMU-Digital“ geschieht.
3. Die Wirtschaftspolitik selbst kann beisteuern, indem sie die
Kompetenzen der Digitalisierungspolitik in der öffentlichen Hand
weiter strafft. Quantifizierbare Ziele und „Monitoring und
Evaluierung“ sollten die Grundlage evidenzbasierter IKT-Politik
bilden. Derzeit wird eine Vielzahl von Zielen in zahlreichen
Programmen verfolgt. Eine explizite Priorisierung von Politfeldern
ist derzeit nicht erkennbar. Diese Studie schlägt, neben Aus- und
Weiterbildung, die genannten Punkte Breitbandnetze und
Prozessinnovationen, die IKT-Investitionen begleiten, vor.

Hebel zur Förderung von Investitionen in die Dekarbonisierung

1. Das Bewusstsein, dass Dekarbonisierung Strukturwandel bedeutet,
ist stark unterschiedlich verankert. Während vor allem in
emissionsintensiven Bereichen die Dekarbonisierung als unumstrittene
Zielsetzung anerkannt wird, lassen sich in anderen Bereichen
Beharrungstendenzen beobachten. Während Schlüsselbetriebe den
Dekarbonisierungsprozess treiben, sollten insbesondere KMU auf
Chancen und Risiken aufmerksam gemacht werden.
2. Die öffentliche Hand sollte vermehrt als „Lead User“ auftreten
und Demonstrationseffekte zur CO2‑Reduktion schaffen (z. B. durch
innovative Gebäude oder schadstoffarme öffentliche Fahrzeugflotten).
Im Bewusstsein der öffentlichen Beschaffung sollten CO2‑Reduk­tionen
stärker verankert werden. Neue Technologien sollten anhand einer
gesamtheitlichen Beurteilung der Produktions- und Nutzungsphase
beurteilt werden („from the cradle to the grave“).
3. Oft kann mit keiner der heutigen Technologien die Emissionsziele
erreicht werden, d. h. es werden Übergangstechnologien genutzt (z. B.
in der Fahrzeugindustrie). Das zeigt, dass die Dekarbonisierung
innovationsgetrieben und somit risikoreich ist, wodurch Anforderungen
an die Forschungsförderung entstehen. Der Adressatenkreis der
Fördernehmer sollte ausgeweitet werden und verstärkt Akteure aus
Bereichen erfassen, die einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten
können (z. B. Bau- und Materialwirtschaft). Unternehmen sollten
vermehrt sektorübergreifende Lösungen suchen und Fachkräfte
entsprechend aus- und weiterbilden, um den Strukturwandel zu
bestehen.
4. Die Berücksichtigung von Emissionen in einer Vielzahl
sektorspezifischer Regulierungen und Rechtsmaterien im Sinne von Ge-
und Verboten bietet Hebel für Investitionen in die Dekarbonisierung.
Die Wirtschaftspolitik sollte trotz des gewünschten
missionsorientierten Strukturwandels möglichst große
Planungssicherheit schaffen. Das betrifft auch das Förderwesen, das
missionsorientierten Kriterien folgen soll. In Frühphasen der
Diffusion können auch technologische Alternativen unterstützt werden
(z. B. Elektrofahrzeuge).
5. Die Gesprächspartner und ‑partnerinnen der Stakeholder-Befragung
wurden über den Policy-Mix befragt, wobei diese sich für eine
Mischung aus Regularien und CO2-Steuern ausgesprochen haben.
CO2-Steuern wurden meist, sofern sie europaweit und gleichzeitig mit
„carbon tax border adjustments“ eingeführt werden, nicht abgelehnt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte folgender WIFO-Publikation:

Klaus S. Friesenbichler, Werner Hölzl, Angela Köppl, Ina Meyer, Investitionen in die Digitalisierung und Dekarbonisierung in Österreich. Treiber, Hemmnisse und wirtschaftspolitische Hebel (Juni 2021, 85 Seiten, 50 €, kostenloser Download:
[https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/67181]
(https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/67181)).

Rückfragen bitte am Dienstag, dem 15. Juni 2021, zwischen 11:00 und 13:00 Uhr, an Mag. Dr. Klaus S. Friesenbichler, Tel. (1) 798 26 01 – 296, klaus.friesenbichler@wifo.ac.at

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