TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Unverständliches Zögern“, von Mario Zenhäusern

Ausgabe vom Samstag, 25. September 2021

Innsbruck (OTS) – An der Einführung der 3-G-Regel am Arbeitsplatz führt kein Weg vorbei. Und wer das Coronavirus endgültig besie­gen will, für den darf auch eine Impfpflicht kein Tabu sein. Trotzdem scheut sich die Regierung vor einer Entscheidung.

Die Diskussion rund um Impfpflicht, egal ob für bestimmte Berufsgruppen oder für die gesamte impfbare Bevölkerung, wird immer heftiger geführt. Jene um die Einführung der 3-G-Regel (geimpft, genesen oder getestet) am Arbeitsplatz auch. Die Bevölkerung ist gespalten, beide Lager stehen sich je länger, desto unversöhnlicher gegenüber. Der Großteil spricht sich klar für die verpflichtende Corona-Impfung aus. Für sie ist das der einzig gangbare Weg aus der Krise, auch die lückenlose Einführung sowie Kontrolle der 3-G-Regel betrachten die Mehrheit der Bevölkerung und mittlerweile auch zahlreiche Politiker als unabdingbar. Der weitaus kleinere Teil der Bevölkerung stemmt sich jedoch vehement gegen jede Form der Bevormundung.
Verstärkt wird der Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern durch die unübersichtliche rechtliche Situation in Österreich. Während zum Beispiel Italien längst restriktive Maßnahmen wie eben die 3-G-Regel am Arbeitsplatz verordnet hat und ungeimpftes Gesundheitspersonal ohne Bezüge suspendiert, schiebt die Bundesregierung die Entscheidung wie eine heiße Kartoffel vor sich her oder spielt den Ball den Unternehmern zu. Beides ist indiskutabel und führt in letzter Konsequenz lediglich zu einem Wildwuchs an unterschiedlichen Regelungen. Wien zum Beispiel fährt einen rigideren Kurs als andere Bundesländer. Das stresst und verunsichert die Menschen zusätzlich zur Sorge um die Gesundheit.
Die zögerliche Haltung der Verantwortlichen in der Bundesregierung ist unbefriedigend, weil sie die Spaltung in der Gesellschaft verstärkt. Und sie ist auch schwer zu argumentieren: Wen wollen die Politiker denn schützen, wenn sie zum Beispiel Spitälern empfehlen, nur geimpftes Personal einzustellen, aber gleichzeitig vor der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage dafür zurückschrecken? Die Ungeimpften?
Es ist höchst an der Zeit, dass die Regierung endlich mit einer bundesweit einheitlichen, nachvollziehbaren und vor allem praktikablen Regelung für Klarheit sorgt. Das idealtypische Beispiel dafür, wie so etwas nicht funktioniert, ist die Maskenpflicht für Ungeimpfte im Handel, die allerorten auf Unverständnis stieß.
Wenn die Regierung die Corona-Pandemie tatsächlich beenden (und nicht nur davon reden) will, darf die Impfpflicht kein Tabu sein. An der 3-G-Regel am Arbeitsplatz führt auf lange Sicht ohnedies kein Weg vorbei. Die Sozialpartner haben bereits Zustimmung signalisiert. Das Zögern der Regierung wird immer unverständlicher.

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