
TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Vorsicht Baustelle im Euregio-Büro“, Ausgabe vom 29. September 2021 von Peter Nindler.
Innsbruck (OTS) – Eigentlich bräuchte die Euregio in Brüssel eine starke Vertretung und ein gut vernetztes Büro. Doch das Gegenteil ist der Fall, das Tirol-Büro dümpelt so dahin. Dass in Immobilien statt in Know-how für Lobbying investiert wird, spricht Bände.
Das gemeinsame Büro der Europaregion Tirol, Südtirol und Trentino in Brüssel ist eine Dauer-Baustelle. In mehrfacher Hinsicht. Offenbar wurde in den vergangenen Jahren mehr in den millionenschweren Ankauf von Nachbargebäuden hineingesteckt als in die inhaltliche Weiterentwicklung der Tiroler „EU-Botschaft“. Darüber hinaus erweisen sich die stets als Schnäppchen angepriesenen Immobilieninvestitionen nachträglich als Flop. Impulse gehen vom Euregio-Büro hingegen schon seit ewigen Zeiten keine mehr aus. So vermisst der Landesrechnungshof eine klare Priorisierung der Aufgaben, die Ziele für die jeweiligen Aufgaben sind weder qualitativ noch quantitativ definiert.
Für die jahrelangen Versäumnisse kann allerdings nicht der aktuelle und überaus engagierte interimistische Büro-Chef Simon Lochmann verantwortlich gemacht werden, sondern der Ende 2019 suspendierte ehemalige Leiter Richard Seeber. Aber auch nicht er alleine. Es war wohl parteipolitisches Kalkül, dass der brave ÖVP-Parteigänger Seeber 2004 mit dem Segen des damaligen Landeshauptmanns Herwig van Staa ins Europaparlament wechseln konnte. Damit begannen allerdings die Kalamitäten im Euregio-Büro mit wechselnden Verantwortlichen, immer größer werdenden strukturellen Defiziten und letztlich Stillstand. 2014 kehrte Seeber zurück ins Tirol-Büro, doch van Staas Nachfolger Günther Platter (ÖVP) hatte nicht den Mut für einen Neustart. Das Büro dümpelte halt weiter so dahin, Seeber konnte keine Akzente mehr setzen, zugleich wurden jedoch die Reibungsflächen zwischen Tirol und der EU immer größer. Stichworte Transit oder europäische Natura-2000-Schutzgebiete. Jetzt kommen noch die Problemwölfe hinzu. Man wird das Gefühl nicht los, dass Tirol in den zentralen europäischen Konfliktthemen immer hinten nachhinkt. Das Lobbying in der EU-Hauptstadt funktioniert mehr schlecht als recht, die notwendige Vernetzung fehlt. Dabei war die schwarz-grüne Landesregierung noch „Hans im Glück“, denn Platter hatte einen ausgesprochen guten Draht zum ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Das half zwar – aber nicht immer.
Im Gegensatz dazu halten Umweltorganisationen und NGOs der Landesregierung den Spiegel vor. Ihr internationales Netzwerk reicht bis hinein in die Generaldirektionen der EU-Kommission, ihr Informationsvorsprung lässt die Politik alt aussehen. Noch-Euregio-Präsident Günther Platter muss deshalb rasch umdenken. Das Euregio-Büro in Brüssel benötigt weniger Beton und Nutzfläche, dafür mehr Know-how für Lobbying und endlich einen echten Euregio-Botschafter.
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