
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 7. Februar 2022 von Michael Sprenger „Eine Zumutung“
Innsbruck (OTS) – Das Ulrichsbergtreffen in Kärnten gilt als Tummelplatz für Rechtsextreme. Das Treffen steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. ÖVP-Politiker Tauschitz trat dort auf. Jetzt ist er Kärntens oberster Verfassungsschützer.
Was muss eigentlich in diesem Land noch alles passieren, bis endlich einmal wer von der Kanzlerpartei laut Stopp ruft? Und zwar unüberhörbar. Die Reputation der Republik ist drauf und dran, anhaltend beschädigt zu werden. Korruptionsvorwürfe sonder Zahl, anhaltende Postenschacherei bis hin zur Günstlingswirtschaft.
Und immer wieder ist die ÖVP mittendrin. Mehr als 35 Jahre ohne Unterbrechung an der Macht zu sein, hinterlässt tiefe Spuren.
Doch der jüngste Fall rund um die Bestellung des früheren Kärntner ÖVP-Klub-obmannes Stephan Tauschitz lässt einen fast sprachlos zurück. In seiner aktiven Zeit als Landespolitiker trat Tauschitz zweimal beim umstrittenen Ulrichsbergtreffen auf. Jahrzehntelang trafen sich dort bei der „Heimkehrergedenkstätte“ auf der Anhöhe bei Klagenfurt Veteranen der Waffen-SS und anderer nazideutscher Streitkräfte. Das Treffen wurde zum Tummelplatz für Neonazis und Rechtsextreme. Diese Zusammenkunft steht unter besonderer Beobachtung des Verfassungsschutzes.
So wie Tauschitz traten dort immer wieder Politiker von FPÖ, ÖVP und SPÖ auf. Vergangenheitsbewältigung im Gewande des Kärntner Anzugs gewissermaßen. Nun ist Tauschitz seit einer Woche Kärntens oberster Verfassungsschützer. Eine Zumutung! Für Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, ist Tauschitz nicht tragbar. Er bringt die Absurdität der Bestellung in einem Satz auf den Punkt: „Wer am Ulrichsbergtreffen teilnimmt, sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden und kann diesen nicht leiten.“
Und wo bleibt bei alledem der Aufschrei von Kanzler Karl Nehammer und seinem Nachfolger im ÖVP-Innenministerium, Gerhard Karner? Bis dato war nichts zu hören. Weil Tauschitz einer der ihren ist – und die Bestellung korrekt war? Wirklich, war es so? Jedenfalls hat sich offiziell für den Spitzenjob nur Tauschitz beworben. Es wäre nicht das erste Mal, dass gerade im Wirkungsbereich des ÖVP-dominierten Innenministeriums nur Parteifreunde zum Zug kommen. Tauschitz zog sich nach dem Skandal rund um die Hypo Alpe Adria aus der Politik zurück, konnte sich aber auf seine Partei verlassen. Er bekam einen Job beim Bundesamt für Verfassungsschutz – obwohl er weder Polizist noch Jurist ist. Dann wechselte er als Referatsleiter zum LVT. Jetzt ist er dort oberster Verfassungsschützer. In dieser Funktion, so sagt er nun, stehe er für den „entschlossenen Kampf gegen jede Form von Extremismus“. Also alles wieder gut!?
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