
Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 25. Februar 2022. Von MARIO ZENHÄUSERN. „Krieg in Europa“
Innsbruck (OTS) – Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine droht Europa eine geopolitische Krise. Die Antwort des Westens kann nur die Isolation des Aggressors sein. Wladimir Putin muss spüren, dass er zu weit gegangen ist.
Der russische Angriff auf die Ukraine ist allgemein erwartet worden. Letztlich hat er trotzdem viele überrascht. Mit dem Marschbefehl für seine Truppen hat Wladimir Putin sämtlichen Spekulationen ein jähes Ende gesetzt. Den Hoffnungen, der Konflikt könnte auf diplomatischem Weg bereinigt werden, auch. Der Kreml-Herrscher hat beinhart Tatsachen geschaffen. Zur Erinnerung: Putin hat im Verlauf des seit Jahren andauernden Konflikts immer wieder betont, seine oberste Priorität sei nicht die Konfrontation, sondern die Sicherheit Russlands. Gestern zeigte er der ganzen Welt, wie unberechenbar und unglaubwürdig er ist. Die fadenscheinige Argumentation, mit dem Einmarsch lediglich die Menschen in den russisch kontrollierten Regionen schützen zu wollen, die seit Jahren einem Genozid und Misshandlungen ausgesetzt seien, ist an Zynismus nicht zu überbieten. In Wahrheit ist die allen Dementis zum Trotz von langer Hand geplante Invasion nichts anderes als der brutale Schlusspunkt dieser Politik aus Lügen und Desinformation, die lediglich eines zum Ziel hatte: die Destabilisierung der Ukraine und die Täuschung des Westens.
Beinahe acht Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und drei Jahrzehnte nach dem Beginn der Jugoslawien-Krise herrscht wieder Krieg in Europa, droht eine geopolitische Krise, in der es nur Verlierer geben kann. Die Antwort der westlichen Welt kann und darf deshalb nur Geschlossenheit sein. Solidarität mit der Ukraine allein ist jetzt zu wenig. Es braucht Hilfe und Beistand, auch für benachbarte Staaten, die sich ebenfalls bedroht fühlen. Die Konsequenz des Angriffs kann deshalb nur die totale Isolierung Russlands auf allen Ebenen sein. Die Zeiten halbherziger Sanktionen, um ja der eigenen Wirtschaft nicht zu schaden, sind endgültig vorbei. Der russische Präsident muss spüren, dass er nicht nur eine rote Linie überschritten, sondern Brücken zerstört hat, die den Weg für eine friedliche Beilegung des Konflikts freigemacht hätten.
In diesem Krieg stehen nicht nur das Schicksal der Ukraine und das Leben der Menschen, die in dem Land wohnen, auf dem Spiel. Es geht um weit mehr: um das internationale Völkerrecht, um Freiheit und Menschenrechte und letztlich um jene demokratischen Grundwerte, die Europa zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein lebenswerter Kontinent.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sprach gestern von einer „dunklen Stunde für Europa“. Die westlichen Staaten sind aufgerufen, nichts unversucht zu lassen, damit es nicht noch finsterer wird.
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