Geplante Novelle Kindschaftsrecht – Potential für Verbesserung

Die Österreichischen Kinderschutzzentren sehen in der Novelle Chance für mehr Kinderschutz in familienrechtlichen Verfahren

Wien (OTS) – Derzeit wird im Justizministerium ein Entwurf für ein neues Kindschaftsrecht ausgearbeitet. – DIE ÖSTERREICHISCHEN KINDERSCHUTZZENTREN (Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren) sind in verschiedenen interdisziplinären Arbeitsgruppen zur Entwicklung der Novelle involviert und begrüßen den partizipativen und wertschätzenden Prozess im Sinne des Kindeswohls, der beispielhaft ist.

Die wichtige und notwendige Reform des Familienrechts im Jahre 2013 enthielt einige Punkte, die aus Sicht des Kinderschutzes in der Praxis schwierig umzusetzen waren und nun mit der Novelle verbessert werden sollen. So birgt die geplante Novelle eine große Chance für eine deutliche Stärkung des Kindeswohls. Innerfamiliäre Gewaltdynamiken sollen nun mehr Berücksichtigung in familiengerichtlichen Entscheidungen finden.

„Wir haben unsere Anliegen für mehr Kinderschutz im Familienrecht in den Arbeitsgruppen eingebracht und gemeinsam mit anderen Organisationen ein Grundlagenpapier verfasst“, erklärt Martina Wolf, Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren und ist zuversichtlich, dass diese Berücksichtigung finden werden:

1. Mehr Kinderschutz in familiengerichtlichen Verfahren
In familiengerichtlichen Verfahren sind deutlich mehr
Schutzmaßnahmen notwendig, die verhindern sollen, dass unmittelbare
Gewalt und Zeugenschaft von Gewalt übersehen wird. So müssen
vorangegangene Strafverfahren gegen einen Elternteil in
familienrechtlichen Verfahren bekannt sein und Berücksichtigung
finden, auch wenn es in diesen Verfahren zu einem Freispruch oder
einer Einstellung gekommen ist.

2. Keine gemeinsame Obsorge bei Gewalt
In Fällen häuslicher Gewalt wird die alleinige Obsorge des nicht
gefährdenden Elternteils empfohlen, zumindest für die Zeit der
Rehabilitation des gewaltausübenden Elternteils.

3. Aussetzen des Kontakts bei Gewalt/Grenzverletzungen
Bei Gewalt bzw. Grenzverletzungen ist der Kontakt der
gewaltausübenden Person zum Kind zumindest vorübergehend auszusetzen,
eine klare Zielvereinbarung mit dem gewaltausübenden Elternteil auf
Basis definierter Kriterien sollte Voraussetzung für eine etwaige
Wiederaufnahme des Kontakts sein.
4. Verpflichtende Elternberatung bei jeder Form von Gewalt
Die für sogenannte „hochstrittige“ Elternteile eingeführte
verpflichtende Eltern- bzw. Erziehungsberatung soll auch bei
häuslicher Gewalt Anwendung finden. Einzelberatung ist hier einer
gemeinsamen Beratung vorzuziehen und kann auch als Auflage für nur
einen Elternteil in Betracht gezogen werden.
5. Wahrung des Kontinuitätsprinzips
Kinder brauchen einen verlässlichen Bezugsrahmen und ein sicheres
Zuhause. So soll im Sinne des Kontinuitätsprinzips bei Obsorge- und
Kontaktrechtsentscheidungen berücksichtigt werden, welcher Elternteil
den Großteil der Carearbeit vor der Trennung geleistet hat, welche
Erfahrungen ein Kind mit jedem Elternteil bislang tatsächlich gemacht
hat und welche weitere Versorgung und Erziehung des Kindes durch die
Eltern zu erwarten ist.
6. Raschere und klarere Entscheidung in familiengerichtlichen
Verfahren
Um Kinder nicht der psychischen Belastung endloser Obsorgeverfahren
auszusetzen, sollen gerichtliche Entscheidungen rascher und klarer
getroffen werden.
7. Schulungen im Kontext „Gewalt und Gewaltdynamiken“ für
Gutachter*innen und Richter*innen
Jene Personen, die eine maßgebliche Rolle in familiengerichtlichen
Verfahren innehaben, sollen umfassend geschult werden, um
Gewaltdynamiken und den Schutz des Kindeswohls im Verfahren besser
berücksichtigen zu können.
In diesem Kontext erarbeiten die Österreichischen
Kinderschutzzentren aktuell in einer eigenen Arbeitsgruppe des
Justizministeriums gemeinsam mit anderen Organisationen eine
Handreiche für Richter*innen.
8. Berücksichtigung des Kindeswillens in Kontaktrechts- und
Obsorgeverfahren
Der Kindeswille ist immer zu berücksichtigen, soweit er nicht dem
Kindeswohl widerspricht. Einschränkungen oder auch die Durchsetzung
des Kontaktes gegen den geäußerten Willen sind bedenklich, da Kinder
sie als „gegen ihren Willen und über ihren Kopf hinweg“ erleben
können. Hier müssen die Persönlichkeitsrechte von Kindern in
familienrechtlichen Verfahren mehr geschützt werden. Entscheidungen
gegen den Willen des Kindes sind nur dann gerechtfertigt, wenn der
Kindeswille eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen würde.
9. Kinderbeistand bei familienrechtlichen Verfahren
Kinderbeistände sind als wichtige Institution für die Gewährleistung
des Rechts auf Partizipation und als psychosoziale Unterstützung in
Obsorgeverfahren zu stärken. Deshalb wird die obligatorische
Bestellung eines Kinderbeistandes in Obsorgekonflikten empfohlen. Die
Aufhebung der aktuell bestehenden Altersobergrenzen für die
Bestellung und mehr finanzielle und personelle Ressourcen sowie
themenspezifische Weiterbildungen und/oder Spezialisierungen der
Professionist*innen, die diese Funktion ausüben, sind weitere
Forderungen.
10. Verbesserte bzw. geregelte Kooperation zwischen den beteiligten
Einrichtungen
Im Sinne des Kindeswohls braucht es eine Verbesserung der
Kooperation durch entsprechende Kooperationsvereinbarungen zwischen
frauenspezifischen Opferschutzeinrichtungen, Beratungsstellen für
Gewaltprävention für Gefährder*innen und Kinderschutzeinrichtungen.
Als Best-Practice-Beispiel wird eine fach- und
institutionsübergreifende Koordinierungsstelle empfohlen, um
Fachkräfte, die mit den Betroffenen arbeiten, zu koordinieren,
Schnittstellen zu optimieren und Verantwortlichkeitslücken zu
vermeiden.

„Noch liegt kein Gesetzesentwurf vor. Sobald ein solcher publiziert ist, werden wir uns zu diesem ausführlich äußern“, erklärt Mag.a Hedwig Wölfl, stellvertretende Vorsitzende im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, und verweist auf das Grundlagenpapier, das vom Bundesverband gemeinsam mit anderen Organisationen verfasst wurde. Das Grundlagenpapier „KINDERSCHUTZ IM FAMILIENRECHT VERANKERN!“ ist online abrufbar.

Kinderschutz im Familienrecht verankern:
https://www.ots.at/redirect/oe-kinderschutzzentren

DIE ÖSTERREICHISCHEN KINDERSCHUTZZENTREN
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren
Martina Wolf
Geschäftsführung
Mail: martina.wolf@oe-kinderschutzzentren.at
Tel: +43 (0)66488736462
www.oe-kinderschutzzentren.at

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