TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“, vom 9. Juni 2022, von Michael Sprenger:“Asyl – oder alte Idee, altes Muster“

Innsbruck (OTS) – ÖVP-Innenminister Gerhard Karner will Asylprüfungen außerhalb der EU durchführen lassen. Dies hat einen Grund: Es geht darum, ein altes neues Thema zu setzen, um die Kanzlerpartei aus dem Umfragetief zu holen.

Die Idee ist nicht neu, und sie wird durch das Wiederholen nicht verfassungs- und völkerrechtskonform. Zuerst sprach man von „Anlandeplattformen“, dann von „afrikanischen Asylzentren“. Das alles weiß auch Innenminister Gerhard Karner. Trotzdem hat er sich im Vorfeld des Treffens der EU-Innenminister dafür ausgesprochen, Asylwerber in Drittstaaten außerhalb der EU zu verfrachten. Erst dort sollen dann die Asylanträge geprüft werden. Und weil er weiß, dass diese Idee so nicht umsetzbar ist, fügt er hinzu, dass zuvor europäische Gesetze geändert werden müssen und es eine Zustimmung aller EU-Länder braucht.
Was Karner nicht erwähnt: Bisher hat sich noch keiner der möglichen Drittstaaten bereit erklärt, Asylzentren für die EU zu errichten. Und ja, der Innenminister dürfte ebenso wissen, dass der grüne Koalitionspartner diesen Vorschlag nicht unterstützt.
Also ist die Idee letzten Endes eine populistische. Egal, Karner hat eine Agenda, er hat als Innenminister eine klare Funktion zu erfüllen, die dazu dienen soll, aus Sicht der Kanzlerpartei ein neuen Thema zu setzen. Verständlich. Die ÖVP befindet sich seit Wochen in einem Umfragetief. Dafür sorgt neben den Korruptionsvorwürfen und den zahlreichen Ermittlungen auch die Teuerung. Die SPÖ liegt bei den Sonntagsfragen auf dem ersten Platz, der Abstand zur ÖVP vergrößert sich. Zugleich ist die FPÖ drauf und dran, zur Volkspartei aufzuschließen.
Die ÖVP erinnert sich an ihren Aufstieg unter Sebastian Kurz und glaubt, mit dem Asylthema diesen Trend zu stoppen oder gar umzukehren. Innenminister Gerhard Karner wird deshalb die Asylkarte nicht nur öfter ausspielen, es werden wohl in den nächsten Wochen immer wieder neue Forderungen verlautbart werden, die darauf abzielen, Asylgesetze zu verschärfen. Dies wird die Koalition weiter belasten und dafür sorgen, dass der Ton rauer wird.
Die Kanzlerpartei ist zurzeit mehr an einer Zuspitzung interessiert, weniger an einer gemeinsamen Vorgangsweise mit den Grünen. Denn anders ist nicht zu erklären, dass Karner diese Woche von einem dramatischen Anstieg bei den Asylzahlen gegenüber 2021 spricht – und ausklammert, dass aufgrund der Pandemie ein Vergleich nicht aussagekräftig ist. Und es kommt nicht von ungefähr, wenn er Migranten zwar nach Afrika schicken will und großzügig hinzufügt:
„Wer dann einen Anspruch auf Asyl hat, bekommt Schutz in der EU.“ Aber die hierfür notwendige Quote der Verteilung von Flüchtlingen in der EU lehnt er kategorisch ab. Auch dies ist bekannt und nicht neu.

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