
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 17. Juni 2022 von Alois Vahrner „Auch viel Gegenwind für Energiewende“
Innsbruck (OTS) – Zur Klimakrise kam der Ukraine-Krieg: Die Energiewende weg von Öl und Gas hin zu Erneuerbaren ist jetzt noch dringlicher geworden. Bei der Umsetzung droht den Zielen der Politik beim Realitäts-Elchtest aber ein Umfaller.
Österreich, das auch in der Bundeshymne besungene Land am Strome mit von anderen beneidetem Potenzial an Wasserkraft. Und auch das Land, das der Atomkraft schon vor den Super-GAUs in Tschernobyl und Fukushima per Volksabstimmung 1978 eine Absage erteilt hat. Österreich ist aber auch das Land, das nicht nur wie viele andere am milliardenschweren Tropf der Ölmultis hängt, sondern mit 80 Prozent Anteil wie kein zweites in der EU so stark am Gashahn Russlands.
Um die Erderwärmung mit ihren drohenden katastrophalen Folgen einzubremsen, muss für eine massive Reduktion der Treibhausgas-Emissionen global vor allem die Energiewende gelingen. Österreich hätte dafür vor allem auch dank Wasserkraft bessere Voraussetzungen als andere, hat diese aber seit Langem nur unzureichend genutzt. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine inklusive Preisexplosion gerade auch bei Öl und Gas sowie mögliche Lieferstopps haben den Druck zum Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger noch massiv zugespitzt.
Mit dem Eintritt der Grünen in eine Koalition mit der ÖVP, damals noch mit Sebastian Kurz, wurden die vorher laschen Klimaziele deutlich angehoben. Im Koalitionsprogramm stehen ehrgeizige Ziele wie eine jährliche Sanierungsrate von Gebäuden in Richtung von drei Prozent, aber auch viel mehr erneuerbare Großanlagen und Geothermie in Fernwärmenetzen. Um beim Strom 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren zu erreichen, sollen bis 2030 eine Photovoltaik-Erzeugungskapazität (etwa auf 1 Mio. Hausdächern) von 11 Terawattstunden zugebaut werden, bei Wind 10 TWh und bei Wasserkraft 5 TWh.
Wunderbar klingende Ziele, aber leider wohl aus dem politischen Träumeland. Ein Papiertiger, mit dem die Realität nicht Schritt halten kann. Allein die Stromziele machen das Fünffache des gesamten Tiwag-Ausbauprogramms aus, für das bis 2030 angesichts langer Verfahren teils nicht einmal eine Baugenehmigung, geschweige denn eine Fertigstellung in Sicht ist. Beim Wind müsste das aktuelle Volumen ebenfalls bis 2030, also in nur acht Jahren, nahezu verdreifacht und bei Solar sogar verzehnfacht werden. Tiwag-Chef Entstrasser hat jüngst betont: Der Umstieg auf E-Autos und Wärmepumpen erfordert viel mehr Strom, raus aus Gas heiße auch neue Fernwärmekraftwerke, weil sich die Physik nicht austricksen lasse. Und dass der Bau von großen Windrädern und Solarparks auf freien Flächen wie auf den Bergen gerade auch, aber nicht nur aus optischen Gründen zu keinem Applaus, sondern vermehrt zu heftigen Bürger-Protesten führt, damit müssen jetzt auch die Grünen umzugehen lernen.
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