Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 20. Juni 2022. Von MANFRED MITTERWACHAUER. „Unter die Räder gekommen“.

Innsbruck (OTS) – Was die Eindämmung des Transitverkehrs durch Tirol betrifft, ist die schwarz-grüne Koalition krachend gescheitert.
Wer immer das Land ab 25. September regiert, es wird mehr als nur eine Fortschreibung des Verkehrskapitels benötigen.

Anton Mattle ist gewillt, Günther Platter zu beerben. Zuerst als VP-Landesobmann, nach der Landtagswahl am 25. September auch als Landeshauptmann von Tirol. Was die Transit-Verkehrslage betrifft, so sind aber Mattle und eine (eventuell neu) parteipolitisch zusammengewürfelte Landesregierung gut beraten, nicht in die Fußstapfen Platters und der fast zehnjährigen Regentschaft von Schwarz-Grün zu treten. Denn diese Transitpolitik ist unter die Räder gekommen.
Kommenden Freitag beschließt der Landtag seine Auflösung. Zeit, Bilanz zu ziehen. Platter rückte 2008 auf den Landeshauptmannsessel nach, 2013 schmiedete er mit Oppositionspolitikerin Ingrid Felipe die erste schwarz-grüne Koalition. Letztere übernahm die Verkehrsagenden, der Lkw-Transit blieb freilich stets „Chefsache“ Platters. Schwarz-Grün übernahm in einem Jahr das Ruder, als über den Brenner 1,76 Millionen Lkw fuhren. Damals wie auch bei der koalitionären Neuauflage 2018 wurden die Transit-Muskeln aufgeblasen. Auf eine Million Fahrten bis zum Jahr 2027 wollte man die Transit-Lawine einbremsen. Tatsache ist: Abseits einer kleinen Corona-Delle 2020/21 stieg der Lkw-Transit in ALLEN (!) Amtsjahren von Schwarz-Grün. Auf ein vorläufiges Rekordniveau von 2,47 Mio. (2019). Zum Vergleich: Der Lkw-Verkehr über ALLE (!) Schweizer Alpenpässe nahm laut VCÖ von 2013 mit 0,94 Mio. Fahrten bis 2021 auf 0,81 ab.
Diese Zahlen tun weh. Denn sie belegen das krachende Scheitern der Tiroler Anti-Transitpolitik. Umso schmerzlicher, da Schwarz-Grün nicht untätig war. Mit dem permanenten Luft-100er wurden einst umfassende Lkw-Fahrverbote erstritten, die erst 2021 nachgebessert wurden. Abfahrverbote wurden erlassen, die Blockabfertigung bei Kufstein eingeführt, die Rollende Landstraße (laut dem „Berliner 10-Punkte-Plan“) kapazitätsmäßig aufgestockt. Tirol hat reagiert. Das Transitproblem zu lösen, ist freilich eine Frage des Agierens. Und hierfür ist Tirol auf der dafür zuständigen EU-Ebene kein Player auf Augenhöhe. Das wäre und ist Aufgabe des Bundes. Der bis dato zu passiv agiert.
Mattle hat angekündigt, sein LH-Projekt auf mehr als eine Amtszeit auszulegen. Der Galtürer wird also die Umsetzung der neuen, für Tirol schlechten EU-Wegekostenrichtlinie erleben. Weil sie die Straße für saubere Lkw noch günstiger machen wird. Und er wird Antworten zu finden haben, wenn der Luft-100er zur Debatte stehen wird. Dessen Aus ist – siehe Oberland – aufgrund sich bessernder Luftwerte nur eine Frage der Zeit. Mattle wird Tirol eine neue Transitpolitik verpassen müssen, eine Fortschreibung des Verkehrskapitels reicht nicht aus. Das aktuelle hat Tirol nicht aus der Transit-Sackgasse befreit.

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