
TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Wir hätten Gas, aber keine Weitsicht“, von Michael Sprenger
Ausgabe vom Dienstag, 12. Juli 2022
Innsbruck (OTS) – Im nördlichen niederösterreichischen Weinviertel lagern Gasreserven, die Österreich auf 30 Jahre versorgen könnten. Und die Montanuni Leoben hat eine umweltschonende Methode für die Förderung entwickelt. Doch es passiert nichts.
Wir blenden zehn Jahre zurück. Im nördlichen Weinviertel gibt es Hinweise auf enorme Gasreserven. Schätzungen der OMV gehen davon aus, dass Österreich damit seinen Gasbedarf für knapp 30 Jahre decken könnte. Der damalige Wirtschaftsminister und spätere ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner sah das Projekt mit Blick auf die Zukunft als notwendig an. 2020 hätte es bereits zur Gasgewinnung kommen sollen. Doch der Optimismus von damals war gleich verflogen. ÖVP-Umweltminister Nikolaus Berlakovich stoppte nach Zuruf aus der niederösterreichischen ÖVP und Protesten der Grünen und von Anrainern das Vorhaben. Das Gas solle im Gestein bleiben. Dort lagert es heute noch. Das politische Nein vor zehn Jahren entsprach der damaligen Stimmungslage.
Denn im nördlichen Weinviertel hätte die umstrittene Bergbaumethode des Fracking zum Einsatz kommen sollen. Fracking wurde allgemein als das Böse angesehen. Die Politik war nicht in der Lage – und sie war auch nicht interessiert –, für die Methode einer umweltschonenden Erdgasförderung zu werben. Diese wurde entwickelt und patentiert an der Montanuniversität Leoben. Vor zehn Jahren war man glückselig, Dank Zugang zum billigen russischen Gas.
Heute ist alles anders. Der Gaspreis befindet sich im Vergleich zu 2012 in unvorstellbaren Höhen. Ob das Gas aus Russland noch weiter nach Europa und damit nach Österreich geliefert wird, gilt mit heutigem Tage als ungewiss.
Derweil liefert sehr teuer die USA mit speziellen Großtankern verflüssigtes Gas (LNG) nach Europa. Das Gas stammt dabei großteils aus Fracking-Quellen, bei denen, anders als bei der Methode der Montanuniversität, schädliche Chemie eingesetzt wird. Wenn man sich vor Augen führt, dass die österreichische Politik 2012 nicht gewillt war, das Projekt Schiefergas ernsthaft zu verfolgen, sondern es sofort beerdigte, dann ist ein Schluss zulässig: Österreichs Politik fehlte es an Weitsicht.
Und auch heute, angesichts der dramatischen Energiesituation, scheint die Politik nicht bereit zu sein, die heimischen Gasreserven anzuzapfen und den Kontakt mit der Montanuniversität endlich herzustellen. Das machen derweil andere Länder.
Bei der OMV heißt es zu den Gasreserven im Weinviertel lapidar:
Solange die Republik uns keinen Auftrag erteilt, werden wir das Projekt nicht wieder aufnehmen.
Ja, es stimmt, Gas könnte dort im optimalen Falle erst in fünf Jahren gewonnen werden. Nur die Politik verordnet sich lieber ein Denkverbot.
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