Drohungen statt Dialog: „Falter Arena“ wirft Fragen auf

Scharfe Kritik an einer Veranstaltung des Wiener Wochenmagazins „Falter“ („Woke ist tot“) übt der Verein „Queer Dance im Gemeindebau“.

_IN DER „FALTER ARENA“ ZUM THEMA „WER CANCELT HIER WEN? – MEINUNGSFREIHEIT IN GEFAHR“ MODERIERTE CHEFREDAKTEUR FLORIAN KLENK._

„Ich war erschüttert, dass wir wieder über Dinge diskutieren, die wir eigentlich schon längst überwunden geglaubt haben“, erinnert sich Ortrun Gauper, Vorsitzende des Vereins „Queer Dance im Gemeindebau“ an die Veranstaltung. Denn auf dem Podium bekamen konservative Lesarten von „Cancel Culture“ viel Platz von Klenk – während gemäßigte und progressive Einwürfe zum Teil wenig dialogbereit wirkten.

Faika El-Nagashi, ehemals Abgeordnete der Grünen, schilderte auf dem Podium ihren Eindruck, in Verlagen und Universitäten würden ideologische Vorgaben herrschen, weshalb sich „viele“ selbst zensierten. Sie glaube, wegen ihrer Positionen gemieden worden zu sein und wünschte sich mehr inhaltliche Auseinandersetzung. Ob sie selbst den Kontakt zu Andersdenkenden sucht, sagte sie nicht.

In der Sache blieb es kontrovers. El-Nagashi sagte: „Ich bin eine der wenigen Feministinnen in Österreich und vielleicht im gesamten deutschsprachigen Raum, die sagt: Es gibt biologisch zwei Geschlechter.“ Lea Susemichel von der feministischen Zeitschrift „an.schläge” widersprach: „Da wird Wissenschaft einfach negiert.” Teile des Publikums reagierten auf diese Aussage mit Gelächter. Solche Aktionen sorgten dafür, dass ausgewogene und fundierte Positionen an diesem Abend stellenweise eingeschränkt erscheinen.

Für Valerie Lenk, Gründerin der Beratungsstelle „trans Vielfalt“ schwer zu fassen: „Unter dem Deckmantel von ‚Meinungsfreiheit‘ wurde transfeindlichen Haltungen eine Bühne geboten, ohne dass auch nur eine einzige trans Person eingeladen war, die Lebensrealitäten aus eigener Erfahrung schildern konnte.“ Klenk habe nicht eingegriffen, wenn wissenschaftlich widerlegte und diskriminierende Positionen verbreitet wurden – und so den Boden für einen gefährlichen gesellschaftlichen Backlash bereitet: „Der Versuch, trans Menschen wieder aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.“

„Gerade Medien, die sich dem Liberalismus und der Aufklärung verpflichtet fühlen, tragen Verantwortung. Wer transfeindliche Rhetorik unwidersprochen Raum gibt, betreibt keinen Journalismus – er betreibt Normalisierung von Hass“, betont Lenk: „Wir fordern den Falter auf, sich mit der eigenen Rolle kritisch auseinanderzusetzen und trans Menschen in künftigen Diskussionen nicht länger zu marginalisieren, sondern einzubinden.“

Scharfe Kritik kommt auch vom Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ): „Es geht hier nicht um eine woke Wissenschaft oder woken Aktivismus, es geht hier ganz eindeutig um die Unsichtbarmachung von intergeschlechtlichen Menschen“, betont Vorstand Luan Pertl. Dass Faika El-Nagashi gesagt hat, es gebe nur zwei Geschlechter, mache „jede einzelne inter* Person weltweit unsichtbar und somit übt sie die selbe Gewalt an inter* Menschen aus wie Mediziner die durch Genitalverstümmelungen inter* Menschen ihr inter* sein und somit ihr Geschlecht wegnehmen wollen“.

Für Irritationen sorgte auch die Gesprächsführung von Klenk: Er fragte bei El-Nagashi praktisch nicht kritisch nach. Kritische Nachfragen aus dem Saal ließ er nicht zu: „Wenn die noch einmal stören, schmeiße ich sie aus dem Saal“, drohte er. „So entsteht kein Dialog, sondern eine Bühne für Diskriminierung“, ist trans Aktivistin Lenk überzeugt.

El-Nagashi kritisierte zudem, Diskussionen fänden häufig in einem aktivistischen oder akademischen Milieu statt – mit Begriffen wie „Cis-Mann“, die viele nicht verstünden. Ihr Appell, linke Milieus sollten Meinungsvielfalt wieder schätzen, traf erkennbar einen Nerv im Saal. Dass es sich hier um ein Narrativ handelt, das von rechtskonservativen US-Gruppen genährt wird, schien das Publikum nicht zu stören.

Für Susemichel ist dieses Narrativ der Ex-Grünen „Unsinn“: „Wir haben in Europa eine ganz andere Tradition. (…) Die Meinungsfreiheit funktioniert nur so lange, wie wir zugestehen, dass es konkurrierende Freiheitsrechte gibt. Und in der Demokratie haben wir ständig damit zu tun, zu sagen, ja, ich kann meine Freiheit nur so lange ausleben, wie sie nicht die Freiheit von anderen begrenzt“, erklärte sie am Podium.

„Es ist erschreckend, dass Florian Klenk einer Person, nämlich Faika El-Nagashi, die unter fadenscheinigen Argumenten auf Berufung der Wissenschaft trans* Menschen die Lebensexistenz abspricht, so eine Bühne bietet. Und dass der Großteil des Publikums ihnen applaudiert!“, fasst Mariam Vedadinejad von queeramnnesty/Amnesty International die Diskussion zusammen.

„Es bleibt der Eindruck, dass konservative Narrative unwidersprochen zirkulieren können, während ausgewogene Beiträge zu oft als Gängelung und Verbote wahrgenommen wurden“, ist Gauper enttäuscht: „Wer Debatten mit Spott beantwortet, statt Argumente auszutauschen, übernimmt aber am Ende genau jene Erzählung vom ‚engstirnigen Linkslager‘, gegen die man eigentlich antreten möchte.“

Queer Dance im Gemeindebau
Mag. Ortrun Gauper
Telefon: 0676-842 531 100

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