
Sozialhilfe Novelle OÖ – Was sind die sozialpolitischen Ziele?
Sozialplattform OÖ fordert: Evaluierung der Folgekosten dringend notwendig
Die Sozialplattform Oberösterreich warnt angesichts der bevorstehenden Beschlussfassung über die Novelle des Oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetzes (OÖ. SOHAG) vor weitreichenden negativen Folgen. Die geplanten Änderungen gefährden aus Sicht des Netzwerks von 46 Sozialorganisationen die Existenzsicherung für Armutsbetroffene, sorgen hinsichtlich Verwaltungsvollzug für große Unsicherheit und werden Folgekosten in anderen Bereichen der Soziallandschaft nach sich ziehen.
STRENGERE SANKTIONEN UND UNKLARE RECHTSBEGRIFFE
2024 standen nur rund ein Drittel aller Sozialhilfe-Beziehenden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, auf sie fokussiert die Novelle. Erwerbstätige Sozialhilfe-Beziehende in Teilzeit oder mit geringem Verdienst werden zum Beispiel während des laufenden Dienstverhältnisses zur Arbeitssuche verpflichtet. Nach wie vor müssen parallel AMS und Bezirksverwaltungsbehörden Nachweise über Bewerbungsaktivitäten erhalten – eine oft widersprüchliche und ineffiziente Doppelstruktur.
Schon jetzt gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bezirksverwaltungsbehörden im Vollzug. Die Novelle verschärft dieses Problem weiter: Begriffe wie „zielstrebig verfolgt“ oder „Beseitigung von Umständen“ sind rechtlich nicht klar definiert und ermöglichten breite Auslegungsspielräume. In Kombination mit deutlich verschärften Sanktionen ist ein „System der Unsicherheit“ vorprogrammiert: Künftig können drei behördlich als solche bewertete Versäumnisse bereits den vollständigen Verlust der Sozialhilfe und teilweise auch der Krankenversicherung bedeuten. „Eine derart harte Sanktionslogik trifft jene, die ohnehin am wenigsten Spielraum haben“, so STEFAN THURNER, Sozialplattform OÖ. Schon die aktuellen Regeln erzeugen enormen Druck bei Sozialhilfe-Beziehenden.
„Bei der Gesetzesänderung geht es nicht um Hilfen in sozialer Notlage durch das letzte soziale Netz Sozialhilfe. Im Vordergrund der Novelle stehen vielmehr Verschärfungen beim Anspruch und die Ausweitung von Sanktionen. Nicht Armutslinderung ist hier das Ziel, sondern Abschreckung und Ausgrenzung. Die Novelle wird daher zur Verschärfung von Armutslagen und Prekarität beitragen“, meint CHRISTINE STELZER-ORTHOFER. Die Wissenschafterin war Mitarbeiterin am Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik der JKU Linz und hier u.a. für die Erstellung der Armutsberichte Oberösterreich verantwortlich.
WOHNUNGSLOSIGKEIT ALS DROHENDE FOLGE
Besonders alarmierend sind die Auswirkungen von den in der Novelle vorgesehenen scharfen Sanktionen auf die Wohnkosten: Bei vielen Betroffenen fließt ein Großteil der Sozialhilfe in die Sicherung des Wohnraums. _„Tiefgreifende Kürzungen erhöhen das Risiko von Mietrückständen und Delogierungen massiv. Die Wohnungslosenhilfe OÖ wird durch diese Novelle vor kaum bewältigbare Herausforderungen gestellt“_, mahnt STEFAN THURNER.
_„Das letzte Auffangnetz Sozialhilfe muss ein faires Angebot für Menschen bleiben, deren ökonomische Bedingungen nicht ausreichend sind. Aber auch für die Menschen, die mit Defiziten im Alltag zu kämpfen haben und auf Unterstützung von einschlägigen Einrichtungen angewiesen sind“, _betont_ _CHRISTIAN GAISEDER, Sozialverein B37, für die Wohnungslosenhilfe OÖ.
SOZIALPOLITISCHE DEBATTE UND EVALUIERUNG VON FOLGEWIRKUNGEN
Die Sozialplattform OÖ vermisst eine sachliche Diskussion über bedarfsorientierte Sozial- und Armutspolitik. Das unterste soziale Netz sollte existenzsichernd wirken und Menschen vor Armut bewahren. Aktuell dominiert allerdings die Disziplinierung von Armutsbetroffenen die politische Debatte rund um die Sozialhilfe. Sozialorganisationen sehen besonders die Absicherung von Personen mit psychischen Erkrankungen, schlechtem Gesundheitszustand oder multiplen Problemlagen in Gefahr. Viele Betroffene können bereits jetzt den strengen Anforderungen der Sozialhilfe nicht gerecht werden.
„Die Folgekosten einer schlechten Sozialhilfe, die bei Delogierungsprävention, Obdachloseneinrichtungen, Schuldenberatungen, im Gesundheitssystem oder der Kinder- und Jugendhilfe aufschlagen, werden unterschätzt. Es macht uns alle stark, wenn wir anderen aufhelfen und niemandem ein Bein stellen“, erläutert MARTIN SCHENK, Stv. Direktor der Diakonie Österreich und Mitbegründer der österreichischen Armutskonferenz.
„Mit dieser Novelle wird das letzte soziale Netz gefährlich ausgedünnt“, warnt STEFAN THURNER und fordert von der oö. Landesregierung eine umfassende Evaluierung der Folgewirkungen und -kosten unter Einbeziehung der Sozialorganisationen.
Sozialplattform OÖ
Mag. Stefan Thurner
Telefon: +436603710061
E-Mail: thurner@sozialplattform.at
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