
Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre in Schulen nimmt letzte Hürde im Bundesrat
Klarstellungen bei Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter, Anpassung der Vereinbarung zum Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel
Mit breiter Mehrheit gab der Bundesrat heute grünes Licht für das von der Regierung vorgelegte Kopftuchverbot in Schulen für Mädchen bis 14 Jahre. Neben den Regierungsfraktionen stimmten auch die Freiheitlichen für die Gesetzesnovelle. Diese geht der FPÖ allerdings nicht weit genug. Sie brachten daher im Zuge der Debatte einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie ein Kopftuchverbot sowie ein Verbot „einer Verschleierung“ in öffentlichen Pflichtschulen für das „gesamte schulische Personal, insbesondere Lehrerinnen“, forderten. Der Antrag blieb jedoch in der Minderheit. Das gleiche gilt für einen weiteren Antrag, in dem sich die FPÖ für einen „9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule“ in den Bereichen Prävention, Konflikt-Resilienz und Deeskalation ausspricht. Keine Zustimmung zur Gesetzesnovelle gab es von den Grünen. Sie orten eine Diskriminierung von muslimischen Kindern und einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.
Einhellig befürwortet hat die Länderkammer zudem die von der Bundesregierung vorgelegten Klarstellungen bei Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter.
Ebenfalls fraktionsübergreifende Zustimmung gab es für eine Regierungsvorlage, die eine Anpassung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Burgenland zur Erhaltung und Weiterentwicklung des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel vorsieht.
Am Ende der Sitzung wurden zur Unterstützung des im ersten Halbjahr 2026 amtierenden Bundesratspräsidenten Markus Stotter (ÖVP/T), Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V) und Daniel Schmid (SPÖ/T) als Vizepräsidenten einstimmig gewählt. Als Ersatzmitglied für die Parlamentarische Versammlung des Europarats wurde Bundesrätin Claudia Arpa (SPÖ/K) gewählt.
SCHULRECHTSNOVELLE: KOPFTUCHVERBOT, SUSPENDIERUNGSBEGLEITUNG UND VERPFLICHTENDE PERSPEKTIVENGESPRÄCHE
Mit der auch in der Länderkammer mehrheitlich angenommenen Schulrechtsnovelle wird ein Kopftuchverbot an Schulen gesetzlich verankert. Zum „Schutz der kindgerechten Entwicklungs- und Entfaltungsfreiheit“ wird es demnach Schülerinnen bis zu ihrem 14. Geburtstag untersagt, in der Schule ein Kopftuch zu tragen, das „das Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt“. In Kraft treten sollen die Bestimmungen mit 1. September 2026, wobei ab Februar eine Aufklärungsphase starten soll. Die Gesetzesnovelle sieht außerdem die Einführung einer Suspendierungsbegleitung für vom Unterricht ausgeschlossene Schülerinnen und Schüler vor. Verpflichtende Perspektivengespräche sollen zudem künftig dazu beitragen, Schulabbrüche zu verhindern.
Das Gesetzespaket mache Schulen sicherer und trage zu einem gewaltfreien Klassenzimmer bei, betonte Bildungsminister Christoph Wiederkehr. So werde das Kopftuchverbot zu mehr Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten für junge Mädchen führen. Zur verpflichtenden Suspendierungsbegleitung hielt der Minister fest, dass pädagogische und psychosoziale Betreuung wichtig sei, damit Betroffene wieder zurück in die Klassengemeinschaft finden würden. Zudem würden durch Perspektivengespräche Schulabbrechern künftig nicht mehr ohne dem Aufzeigen von Perspektiven aus den Schulen entlassen werden.
Das Kopftuchverbot verstoße gegen die Gleichbehandlung von Religionen, sei eine Diskriminierung von muslimischen Kindern und verstoße gegen die UN-Kinderrechtskonvention, argumentierte Elisabeth Kittl (Grüne/W) die Ablehnung ihrer Fraktion. Anstatt dessen brauche es „Räume für Aufklärung“ und die Unterstützung für Mädchen, um „aus Abhängigkeiten herauszukommen“.
Das sah Bernhard Ruf (ÖVP/O) anders. Die Novelle sei „ein wichtiger Schritt“ für mehr Chancengerechtigkeit, Sicherheit sowie zur Gleichstellung und individuellen Entfaltung an den heimischen Schulen. Für Margit Göll (ÖVP/N) ist das Kopftuchverbot „Schutz vor Druck, Zwang sowie Rollenbildern, die nicht in unser Land passen“.
Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) begrüßte das begleitende Monitoring des Suspendierungsmechanismus. Ziel müsse es sein, die Schulen zu stärken, damit mehr Kinder im Bildungssystem bleiben können. Das Kopftuchverbot bezeichnete Gruber-Pruner als „schwierige Abwägungsfrage“. Die Debatte um religiöse Symbole dürfe nicht auf dem Rücken junger Mädchen ausgetragen werden.
Für Irene Partl (FPÖ/T) ist das Kopftuchverbot eine „längst überfällige Maßnahme und langjährige Forderung der FPÖ“. Es gebe zwar Zustimmung seitens ihrer Fraktion zu der nun vorliegenden „halbherzigen Lösung“, die FPÖ-Mandatarin plädierte aber für ein Kopftuchverbot, dass Lehrerinnen und anderes Schulpersonal miteinschließt. Klemens Kofler (FPÖ/N) zeigte sich verwundert, dass die Regierungsfraktionen keine Lösung im Verfassungsrang gesucht hätten und forderte weitere Maßnahmen für gewaltfreie Schulen.
Hintergedanke beim Kopftuchverbot sei der Schutz unmündiger Mädchen gewesen, erklärte Julia Deutsch (NEOS/W). Ziel sei ein verfassungskonformes Gesetz, es obliege nun dem Verfassungsgerichtshof dies zu entscheiden. Zudem schaffe man mit der verpflichtenden Suspendierungsbegleitung und den Perspektivengesprächen erstmals bundesweit verpflichtende Standards, so Deutsch.
KLARSTELLUNGEN BEI KÜNDIGUNGSFRISTEN FÜR ARBEITERINNEN UND ARBEITER
Im Jahr 2021 sind die Kündigungsfristen von Arbeiterinnen und Arbeitern an jene der Angestellten angeglichen worden. Für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, können per Kollektivvertrag jedoch abweichende Regelungen festgelegt werden. In der Praxis kam es allerdings des Öfteren zu Auslegungsproblemen, welche Branchen unter diese Ausnahmebestimmung fallen und ob für deren Inanspruchnahme neue Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Sozialpartnern notwendig sind.
Eine von der Regierung vorgelegte Gesetzesnovelle legt nun fest, dass ausschließlich Branchen von den im ABGB verankerten allgemeinen Kündigungsfristen ausgenommen sind, für die zwischen dem 1. Jänner 2018 und dem 30. Juni 2025 entsprechende kollektivvertragliche Regelungen vereinbart wurden. Ältere kollektivvertragliche Vereinbarungen werden damit automatisch hinfällig. Gleichzeitig entfällt die Vorgabe, dass es sich um Saisonbranchen handeln muss. Neu ist außerdem, dass per Kollektivvertrag festgelegte Kündigungsfristen eine Woche (in der Land- und Forstwirtschaft zwei Wochen) nicht unterschreiten dürfen. Durch die Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie wird zudem ein besserer Kündigungsschutz für Beschäftigte verankert, die sich gegen eine Bezahlung unter dem Kollektivvertrag zur Wehr setzen.
Nach vielen Jahren Rechtsunsicherheit bei Kündigungsfristen, werde nun Rechtssicherheit geschaffen, betonte Bundesrat Sandro Beer (SPÖ/W). Gleichzeitig werde bei der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie eine letzte Lücke geschlossen. Auch Ernest Schwindsackl (ÖVP/St) erwartet sich von der Gesetzesnovelle mehr Rechtssicherheit und Transparenz sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Von einer „dringend notwendigen Gesetzesreparatur“ sprach Marlies Steiner-Wieser (FPÖ/S).
Nach Ansicht von Sozialministerin Korinna Schumann handelt es sich um ein wichtiges Paket, das eine Besserstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bringt. Für das Sozialministerium war es ihr zufolge ein arbeitsreiches Jahr: Rund 70 Gesetze bzw. Gesetzesnovellen seien auf den Weg gebracht worden.
ANPASSUNG DER BUND-LÄNDER-VEREINBARUNG ZUM NATIONALPARK NEUSIEDLER SEE-SEEWINKEL
Eine von allen Mandatarinnen und Mandataren befürwortete Regierungsvorlage sieht die Anpassung der Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Burgenland zur Erhaltung und Weiterentwicklung des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel vor. So kommt es neben der Anpassung der Nationalparkflächen an den aktuellen Stand und der Neustrukturierung von Gremien und Organen des Nationalparks auch zur Umsetzung von Empfehlungen des Rechnungshofs. Zudem wird eine klare Regelung über die Finanzierung der Nationalparkgesellschaft festgeschrieben und diese an die gängige Praxis der österreichischen Nationalpark-GmbHs angepasst.
Die sechs österreichischen Nationalparks seien von Natur aus sehr vielfältig, hätten aber den Schutz wertvoller Ökosysteme gemeinsam, betonte Silvester Gfrerer (ÖVP/S). Bei der Anpassung der Bund-Länder-Vereinbarung gehe es um die Themen Flächenerweiterung, Finanzierung sowie die Vereinfachung der Gremien der Nationalparkverwaltung. Dem schloss sich Thomas Schmid (SPÖ/B) an, der von mehr Transparenz und Verlässlichkeit „zur langfristigen Absicherung eines einzigartigen Lebensraums“ sprach. Thomas Karacsony (FPÖ/B) bezeichnete den Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel als „Naturjuwel von internationalem Rang und regionaler Bedeutung“. Nun passe man die Strukturen „an die heutige Zeit“ an. Für Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) zeigt „das Best-Practice-Beispiel“ Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel, dass Naturschutz und landwirtschaftliche Nutzung kein Widerspruch ist.
Mit der Anpassung der Bund-Länder-Vereinbarung schaffe man den Rechtsrahmen für eine gute Weiterentwicklung des Nationalparks, unterstrich Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Dies geschehe in Übereinstimmung mit dem burgenländischen Nationalparkgesetz. (Schluss Bundesrat) med/gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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