
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 6. November 2018 von Michael Sprenger „Mehr Heimat-, weniger Sozialpartei“
Innsbruck (OTS) – Als Oppositionspartei konnte die FPÖ als „soziale
Heimatpartei“ ein breites Spektrum der Bevölkerung abdecken. In der
Regierung versucht sie sich als „Heimatschutzpartei“ zu präsentieren,
um von ihrer Sozialpolitik abzulenken.
Die FPÖ nennt sich Heimatpartei, seit sie Regierungsverantwortung
trägt, spricht Innenminister Herbert Kickl von der FPÖ gar als
Heimatschutzpartei. Auch deshalb feieren die Blauen den Ausstieg aus
dem UN-Migrationspakt als ihren großen Erfolg. Trotz der anhaltenden
internationalen und breiten österreichweiten Kritik sind die
Freiheitlichen davon überzeugt, dass sie mit dem Ausscheren aus dem
weltweiten Migrationspakt einen Großteil der Bevölkerung auf ihrer
Seite haben. Dabei spielt für die FPÖ – wie auch für die ÖVP – die
Unverbindlichkeit des weltweiten Vertrages keine Rolle. Die
Regierungsparteien rechtfertigen ihr Verhalten damit, dass mit der
Unterzeichnung des Migrationspaktes eine theoretische Möglichkeit
bestehen könnte, im Laufe der Jahre eine
Völkerrechtsgewohnheitsbindung einzugehen. Dabei nehmen FPÖ und ÖVP
es schulterzuckend zur Kenntnis, dass die Beamten unter dem damaligen
ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz und der amtierenden
FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl den Pakt mitverhandelt haben.
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky will sich damit nicht länger
beschäftigen. Er sieht „die starke Handschrift der FPÖ in der
Bundesregierung“. Per Eigendefinition setzt die FPÖ vor Heimatpartei
immerzu auch das Attribut sozial. Da kämpft sie zuletzt jedoch mit
der Glaubwürdigkeit. Bei der Verschärfung des Arbeitszeitgesetzes
übte sie den Sprung über den eigenen Schatten. Formal handelt es sich
hierbei noch um einen Initiativantrag des Parlaments. Bei der
anstehenden Reform der Mindestsicherung und der angedachten
Abschaffung der Notstandshilfe ist die FPÖ aber unmittelbar in Person
von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein verantwortlich. Während
das Sozialministerium am gestrigen Montag noch in einem Festakt sein
100-jähriges Bestehen feierte, befürchtet die Gewerkschaft just von
diesem Ministerium aus einen Angriff auf den Sozialstaat.
Während die blaue Heimatpartei aus ihrer Sicht Erfolge feiern kann,
verspürt die blaue Sozialpartei einen stärker werdenden Gegenwind.
Treffen doch die geplanten Maßnahmen einen Gutteil ihrer
Wählerschaft.
Es deutet vieles darauf hin, dass die FPÖ ihre Gangart als
„Heimatschutzpartei“ verschärfen wird, will sie doch von den
Glaubwürdigkeitsverlusten als Sozialpartei ablenken – oder diese
zumindest zu kompensieren versuchen. Beides wirkt nicht sehr
beruhigend.
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