Neuen Strategien für den digitalen Leser

Die Frage des Mehrwerts ist die Frage der journalistischen Zukunft

Wien (OTS) – Bei der 12. Ausgabe des Formats „Medien im Zeitgeist“
des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC) gestern Abend hatte
Fred Turnheim Philipp Graf Montgelas als Geschäftsführer und Johannes
Eversmann als Head of Content Strategy von Readly aus Berlin zu Gast.
Mit den Vertretern von Europas größter Streaming-Plattform für
Magazine ging der ÖJC-Präsident der Frage nach, wie Magazinmedien
über Streaming-Plattformen neue Leserinnen und Leser finden können.

„Ich sehe die Zukunft der Printmedien sehr rosig“, eröffnete Philipp
Graf Montgelas den Abend optimistisch und verwies auf den
entscheidenden Unterschied zwischen Zeitungen und Magazinen. „Viele
Magazine sprechen eine Nische an, für die Menschen brennen. So lange
es Menschen gibt, die für Themen brennen, wird es Magazine geben“,
ergänzte sein Stratege Eversmann. Die entscheidende Frage sei dabei,
wie man die Leserinnen und Leser dazu bringt, für Content zu
bezahlen, denn nur so kann es weiter Magazine geben. Die Rückläufe
bei den Online-Inseraten würden auch bei Verlagen ein Umdenken
herbeiführen. „Wenn man für Content nicht bezahlt, dann gibt’s auch
keine Jobs“, warf Fred Turnheim als Journalistenvertreter ein.

Für den Abend hatten sich Graf Montgelas, Eversmann und Turnheim
Beispiele des Online-Streamings wie etwa die New York Times, den
Springer-Verlag mit der SPORT BILD oder die Verlagsgruppe News
angesehen und verglichen. Interessant dabei ist, dass starke Marken
hier ziehen. Dabei müssen es nicht ausschließlich News sein, hier
lassen sich auch Kochrezepte und Kreuzworträtsel gut verkaufen. Die
Attraktivität einer Online-Plattform ist, dass sie für den Verlag
auch ein Experimentierfeld bietet, betonte Eversmann, der erzählt,
dass der Springer-Verlag auch teilweise Inhalte exklusiv für diese
Plattform zur Verfügung stellt.

Detailanalysen des Verhaltens der Nutzerinnen und Nutzer zeigen auch,
dass nicht immer die Cover-Stories jene Artikel sind, die die größte
Lesedauer zu verbuchen haben. Sie motivieren zum Auswählen des
Magazins, länger gelesen werden aber dann oft andere Reportagen.
Streaming-Plattformen erhöhen also definitiv die Lesedauer, die im
Schnitt acht Stunden pro Monat beträgt. Während ein Haushalt maximal
zwei bis drei Print-Magazine abonniert hat, so sind es bei Readly
dreißig. Derzeit benutzen rund 17 Millionen Userinnen und User Readly
pro Quartal. Größter Konkurrent des Online-Streamings ist übrigens
das Fernsehen, das geht aus dem Nutzerverhalten bezüglich der
Uhrzeiten hervor.

Das Geschäftsmodell ist dabei denkbar einfach. Der Verlag liefert
Readly ein PDF des gesamten Magazins ab, das auch als Ganzes auf die
Streaming-Plattform gestellt wird. Nur so kann erreicht werden, dass
die Kundin bzw. der Kunde schmökert und dabei auf Artikel stößt, mit
der er/sie gar nicht gerechnet hat. Auch eine magazinübergreifende
Themensuche ist möglich. Readly behält sich 30 Prozent der
Abo-Einnahmen von Euro 9,99 pro Monat, die restlichen 70 Prozent
werden je nach Nutzung an die Verlage ausgeschüttet. Damit entsteht
für den Verlag kein Risiko, weil keine Kosten anfallen. In
Deutschland startete Readly 2014, in Österreich 2017, wobei in
Österreich wesentlich schneller Magazine und Leserinnen bzw. Leser
gewonnen werden konnten. „Die Präsenz auf Online-Plattformen führt
auch zu einer Image-Verbesserung für das Medium“, ergänzte Turnheim
seine Erfahrungen aus der Praxis. Das österreichische Medienmagazin
[Statement] ist auf Readly und Read.it vertreten.

Eine Expansion etwa nach Asien hielt Graf Montgelas für möglich,
derzeit sei aber in Europa noch viel Raum für Entwicklungen. Auf die
Frage, wohin die Reise geht, betonte auch Eversmann als Head of
Content Strategy: „Es gibt immer spezialisierte und immer mehr
Nischen-Publikationen. Ohne die Kosten des Druckens ist viel mehr
möglich.“ Dem notorischen Geraunze bei den österreichischen und
deutschen Medientagen zum Trotz ist Eversmann überzeugt: „Der Trend
ist eindeutig positiv“ und Montgelas ergänzte: „Die Zeit ist günstig
für die Verlage, Nutzen aus der Fake-News-Debatte zu ziehen.“ Für die
Nutzerinnen und Nutzer sei es wesentlich, den Mehrwert zu erkennen.
Produkttests als Hilfe für die Kaufentscheidung können diesen
Mehrwert ebenso bringen wie eine gute Reportage. Mit dem Statement
„Die Frage des Mehrwerts ist eine Frage der Zukunft“ schloss Turnheim
die Diskussion.

Zum zweiten Mal wurde die Veranstaltung vom Medienpartner Okto live
auf Okto Community TV übertragen.

Österreichischer Journalisten Club
Margarete Turnheim
Generalsekretariat
+43 1 98 28 555-0
office@oejc.at
www.oejc.at

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