
NEOS und SPÖ drängen auf weisungsfreien Bundesstaatsanwalt
ÖVP, FPÖ und JETZT wollen bei Verantwortung des Ministers gegenüber Parlament bleiben; Antrag dem Verfassungsausschuss zugewiesen
Wien (PK) – Der Vorstoß der NEOS, wonach die staatsanwaltschaftlichen
Behörden künftig nicht mehr dem Justizminister, sondern einem
unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt unterstehen
sollen, wurde in der heutigen Nationalratssitzung im Rahmen einer
Ersten Lesung unterschiedlich bewertet. Während NEOS-Abgeordnete
Irmgard Griss mit Unterstützung von SPÖ-Justizsprecher Johannes
Jarolim die aktuelle Diskussion um die Causa BVT für die rasche
Installierung eines solchen weisungsfreien Bundesstaatsanwalts ins
Treffen führte, sprachen sich Michaela Steinacker (ÖVP), Volker
Reifenberger (FPÖ), aber auch Alfred Noll (JETZT) dagegen aus. Man
wolle nicht auf die Verantwortlichkeit des Ministers gegenüber dem
Parlament verzichten, so die Begründung für deren ablehnende Haltung.
Der Antrag wurde schließlich von der vorsitzführenden Dritten
Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller dem Verfassungsausschuss
zugewiesen.
NEOS und SPÖ: Unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft dringend geboten
Angesichts der jüngsten Ereignisse sei es wichtiger denn je, von
Vornherein jeden Anschein politischer Einflussnahme auf die
Staatsanwaltschaft auszuschließen, argumentierte Irmgard Griss.
Gerade die Causa BVT habe bewiesen, dass die Staatsanwaltschaft nicht
so unabhängig agiere. Ihrer Meinung nach widerspricht es außerdem dem
Prinzip der Gewaltentrennung, dass die Staatsanwaltschaft gegenüber
dem Justizminister weisungsgebunden ist. Ein weisungsfreier
Bundesstaatsanwalt sei bereits in anderen Ländern Standard, stellte
sie fest.
Griss schlägt daher vor, den Bundesstaatsanwalt bzw. die
Bundesstaatsanwältin mit Zweidrittelmehrheit vom Nationalrat, und
zwar nach einer öffentlichen Ausschreibung und einem öffentlichen
Hearing im Hauptausschuss, zu wählen. Als Funktionsperiode sind zwölf
Jahre, ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl, vorgesehen. Durch ein
Interpellationsrecht und weitere Befugnisse des Nationalrats und des
Bundesrats soll die Kontrolle durch das Parlament gewährleistet
werden. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen laut Antrag mit
1. Jänner 2020.
Die NEOS-Mandatarin unterstrich die Notwendigkeit der Vertrauens in
die Justiz, und vertraut werde der Justiz nur dann, wenn diese
unabhängig ist, konstatierte sie. Sie räumte zwar ein, dass unter
Justizminister Brandstetter ein Weisenrat für Weisungen eingerichtet
worden sei, aber dieser stelle nur eine halbe Lösung dar, weil das
Weisungsrecht des Ministers bleibe, und dieses schwächt ihrer Ansicht
nach die Justiz.
Diesen Argumenten schloss sich auch Johannes Jarolim (SPÖ) an. Er
verwies auf eine ähnliche Initiative seiner Fraktion aus dem Jahr
2003. Die ÖVP habe das aber immer verhindert, beklagte er, denn sie
wolle in die Justiz und die die Staatsanwaltschaft „hineingehen“. Die
Einsetzung des Weisenrats bezeichnete als „peinliche“ Aktion.
ÖVP und FPÖ warnen vor Politisierung: Derzeitiges System ist
hervorragend
Eine solche Forderung würde eine wesentliche Änderung des
Bundes-Verfassungsgesetzes erfordern, gab ÖVP-Justizsprecherin
Michaela Steinacker zu bedenken. Sie erinnerte daran, dass Minister
Brandstetter zur Reform des Weisungsrechts eine hochrangige
Expertengruppe eingesetzt hat und sich alle, bis auf ein Mitglied,
gegen einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt ausgesprochen haben.
Außerdem sei eine politische Einflussnahme derzeit durch zahlreiche
Maßnahmen nicht mehr möglich – etwa durch die Einrichtung des
unabhängigen Weisenrats und die Tatsache, dass die
Korruptionsstaatsanwaltschaft von der Oberstaatsanwaltschaft
unabhängig sei. Der Weisenrat arbeite unabhängig, weisungsfrei,
effizient und transparent, so Steinacker, das derzeitige System
funktioniere hervorragend.
Die Sorgen in Bezug auf Vertrauen in die unabhängige Justiz konnte
sie daher nicht nachvollziehen, denn dieses sei in Österreich so groß
wie nie zuvor, sagte sie. Auch hält sie – so wie auch
FPÖ-Abgeordneter Volker Reifenberger – den Hinweis auf die Causa BVT
für unangebracht, weil in diesem Fall der Minister keinen Einfluss
auf die Staatsanwaltschaft genommen habe.
Für Reifenberger würde mit der Installierung eines Bundesstaatanwalts
das Gegenteil dessen bewirkt, was die NEOS wollen: nämlich eine
Politisierung. Niemand ohne eindeutige parteipolitische Zuordnung
würde so einen Posten bekommen, zeigte er sich überzeugt. Die Folge
wäre ein weisungsfreier, aber politisch besetzter Bundesstaatsanwalt,
ein „Staat im Staate“. Er plädierte daher dafür, dass die
Verantwortung des Ministers gegenüber dem Parlament am Ende der Kette
erhalten bleibt. Außerdem würde mit einem Bundesstaatsanwalt auch
eine neue Behörde entstehen, merkte er an.
JETZT: Ministerverantwortlichkeit muss bleiben
Den Argumenten der beiden Koalitionsparteien schloss sich auch Alfred
Noll vom Klub JETZT an, auch wenn er, wie er sagte, atmosphärisch der
Forderung nach einem Bundesstaatsanwalt etwas abgewinnen könne. Er
sei aber für eine weisungsgebundene und transparente
Staatsanwaltschaft und eine Ministerverantwortlichkeit, die aber im
Hohen Haus auch realisiert werden müsse. Per sei verdiene nicht jeder
Minister einen „Misstrauensvorschuss“, meinte er pointiert. Seiner
Ansicht nach funktioniert auch der Weisenrat gut. (Schluss
Nationalrat) jan
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