Nationalrat: Keine Mehrheit für Forderung der NEOS nach freierKassenwahl

Andere Parteien wollen am System der Pflichtversicherung festhalten

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Nationalrats stand auch ein
Entschließungsantrag der NEOS zur Diskussion, der insbesondere darauf
abzielte, den Versicherten freie Wahl bei der Auswahl der
Krankenkasse zu lassen. Gleichzeitig soll den Kassen die Möglichkeit
eingeräumt werden, die Versicherungsbeiträge frei zu gestalten. Die
Initiative stieß auf Ablehnung bei allen anderen Fraktionen, sie
wollen am System der Pflichtversicherung festhalten.

Mit der Abkehr von der Pflichtversicherung würde man nicht nur das
geltende Solidaritätsprinzip in der Krankenversicherung in Frage
stellen, sondern auch die soziale Sicherheit im Krankheitsfall, gab
FPÖ-Abgeordnete Brigitte Povysil (FPÖ) zu bedenken. Demgegenüber
garantiere das derzeitige System gleiche Leistungen für alle
Anspruchsberechtigten, soziale Gerechtigkeit durch lohnabhängige
Beiträge und einen gesetzlicher Leistungsanspruch.

Auch Gabriela Schwarz (ÖVP) sieht in einer freien Kassenwahl keine
Alternative zur Pflichtversicherung. In Deutschland, wo es dieses
System gebe, stünden 120 verschiedene Krankenkassen zur Verfügung,
schilderte sie. „Wollen Sie das wirklich?“, fragte sie in Richtung
der NEOS. Zudem sieht auch sie den Solidaritätsgedanken gefährdet.

Dem Einwand von Gerald Loacker, wonach es im derzeitigen System,
abhängig vom jeweiligen Beruf, sehr unterschiedliche
Leistungsansprüche gibt, hielt Schwarz entgegen, dass mit der
geplanten Sozialversicherungsreform ein erster Schritt zur
Leistungsharmonisierung gesetzt werde. Darauf verwiesen auch die
beiden FPÖ-Abgeordneten Gerhard Kaniak und Dagmar Belakowitsch.
Weitere Harmonisierungen werden in den nächsten Jahren folgen, sind
sie überzeugt. Mit einem Schlag eine einzige Krankenkasse
einzuführen, wäre nach Meinung von Belakowitsch eine Überforderung
des Systems. Man dürfe nicht den ersten Schritt schlechtreden und
nicht angehen, immerhin werde es innerhalb der Österreichischen
Gesundheitskasse gleiche Leistungen und gleiche Beiträge geben,
meinte auch Kaniak.

Sozialversicherung nicht mit anderen Versicherungen vergleichbar

Seitens der SPÖ betonte Philip Kucher, dass der Mensch kein Auto sei.
Man könne die Sozialversicherung nicht mit anderen Versicherungen
vergleichen, hielt er in Richtung der NEOS fest. Die Folge einer
freien Kassenwahl könnte seiner Meinung nach sein, dass man dann im
ländlichen Raum zwar vielleicht geringfügig niedrigere
Versicherungsbeiträge zahlt, dafür aber auch keine Ärzte mehr vor Ort
hat. Im Sinne des Solidaritätsprinzips hält Kucher allerdings auch
die von den Regierungsparteien geplante Sozialversicherungsreform für
verfehlt: ÖVP und FPÖ würden nicht einmal versuchen, allen
Versicherten eine gleich gute Gesundheitsversorgung zukommen zu
lassen.

Seitens der NEOS bedauerten Gerald Loacker und Nikolaus Scherak die
ablehnende Haltung der anderen Parteien. Eine freie Kassenwahl sei in
vielen Ländern gang und gäbe und hätte viele Vorteile, argumentierten
sie. So würden Versicherte in den betreffenden Ländern von den
Versicherungen als Kunden und nicht als lästige Bittsteller gesehen,
zudem steige der Anreiz für Innovationen im Gesundheitssystem.

Die vorgebrachten Bedenken halten Loacker und Scherak für
unberechtigt. Schließlich wäre es den Kassen gemäß dem Antrag ihrer
Fraktion verboten, neue Versicherte abzulehnen. Zudem sei ein
Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen vorgesehen und damit
sichergestellt, dass eine Kasse, die beispielsweise mehr Arbeitslose
und mehr ältere Menschen haben, zusätzliche Mittel bekomme. Die Angst
vor der freien Kassenwahl sei abenteuerlich, sagte Scherak, offenbar
hätten die anderen Parteien kein Vertrauen in den freien und
unabhängigen Menschen.

Erfreut, dass Österreich bei der Pflichtversicherung bleibt und keine
freie Kassenwahl einführt, zeigte sich hingegen Sozialministerin
Beate Hartinger-Klein. Sie hob zudem die Vorzüge der geplanten
Sozialversicherungsreform hervor. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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