Sozialministerin Hartinger-Klein will AMS neu organisieren

Rechnungshof kritisiert Kostenmanagement und fehlende Steuerungsmöglichkeiten

Wien (PK) – Sozialministerin Beate Hartinger-Klein will das AMS neu
organisieren. Dieses leiste in vielen Bereichen gute Arbeit, zur
Steigerung der Effizienz seien Strukturmaßnahmen aber „absolut
notwendig“, sagte sie heute im Rechnungshofausschuss des
Nationalrats. In Angriff genommen werden soll die Reform im kommenden
Jahr, an der 1994 erfolgten Ausgliederung will die Sozialministerin
aber nicht rütteln.

Anlass für die Ankündigung von Hartinger-Klein war die Diskussion
über einen äußerst kritischen Prüfbericht des Rechnungshofs ( III-65
d.B. ), der in mehrfacher Hinsicht Reformbedarf beim
Arbeitsmarktservice (AMS) aufzeigt. So haben die
RechnungshofprüferInnen im Zuge ihrer Einschau in den Jahren 2015 und
2016 sowohl bei der Steuerung als auch bei der Leistungseffizienz und
beim Kostenmanagement zahlreiche Defizite festgestellt. Die
derzeitigen Entscheidungsstrukturen seien viel zu kompliziert, um
rasch auf aktuelle Entwicklungen am Arbeitsmarkt reagieren zu können,
machte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker auch heute im Ausschuss
geltend. Sie vermisst außerdem langfristige Steuerungselemente.

Ein zentrales Thema bei den Ausschussberatungen war auch die geplante
Aufteilung der arbeitssuchenden Personen in drei Gruppen. Während die
SPÖ negative Auswirkungen dieser Kundensegmentierung auf am
Arbeitsmarkt ohnehin benachteiligte Gruppen wie Langzeitarbeitslose,
behinderte Menschen oder Frauen mit Betreuungspflichten fürchtet,
wurde das System von AMS-Vorstand Johannes Kopf verteidigt. Er
erwartet sich davon eine effektivere Unterstützung der Betroffenen
und einen effizienteren Mitteleinsatz. Eine Benachteiligung von
Frauen werde es jedenfalls nicht geben, versicherte Kopf. Das System
wird ihm zufolge 2019 erprobt, 2020 soll es dann flächendeckend
umgesetzt werden.

Was die Kritikpunkte des Rechnungshofs betrifft, machte Kopf geltend,
dass die Prüfung, die die Jahre 2011 bis 2015 umfasste, in einen
Zeitraum fiel, wo das AMS aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise
vor großen Herausforderungen stand. So habe man mit nur geringfügig
mehr Personal 70% mehr Kunden betreuen müssen. Etliche Empfehlungen
seien mittlerweile aber umgesetzt worden. Kopf verwies darüber hinaus
auf eine EU-weite Vergleichsstudie, bei der das AMS gemeinsam mit
zwei anderen Arbeitsvermittlungsagenturen als exzellent bewertet
wurde. Das Förderbudget des AMS für 2019 ist laut Kopf bereits
fixiert, bei der Sitzung am 4. Dezember werde es nur um die
Verteilung der Mittel gehen.

Föderale Organisation hemmt effektive Arbeitsmarktpolitik

In seinem Prüfbericht macht der Rechnungshof nicht nur auf
Versäumnisse des Managements aufmerksam, auch die föderale
Organisation und die schwache Position des Bundes im Verwaltungsrat
tragen seiner Meinung nach zur Ineffizienz des Systems bei. Neben der
Einführung eines umfassenden Controllings beim AMS und einem
nachhaltigen Kostensenkungsprogramm empfehlen die PrüferInnen daher
auch eine neue Organisationsstruktur mit stärkeren Steuerungs- und
Eingriffsmöglichkeiten des Bundes sowie Durchgriffsrechten des
AMS-Vorstands gegenüber den Landesorganisationen. Weiters regen die
PrüferInnen an, die Arbeitsmarktrücklage, die aus Überschüssen der
Arbeitslosenversicherung gebildet wird, aus der Gebarung des AMS
herauszulösen, da sich diese zu einem zunehmend intransparenten
Sonderfinanzierungsvermögen entwickelt habe.

Der derzeitige Aufbau des AMS ist nach Meinung der PrüferInnen für
die Aufgabenerfüllung jedenfalls ungeeignet. Ohne bundesweite
Steuerung könnten die föderal zersplitterten Geschäftsstellen des AMS
Probleme am Arbeitsmarkt, wie sie seit der Wirtschafts- und
Finanzkrise 2008 vermehrt auftraten, nicht angemessen bewältigen. Die
Aufteilung der AMS-Betreuungsgebiete entlang von
Gebietskörperschaftsgrenzen in 100 einzelnen Stellen stehe einer
aktiven und kostengünstigen Bearbeitung des Arbeitsmarkts im
jeweiligen regionalen Wirtschaftsraum entgegen, heißt es im Bericht.
Eine 2015 gestartete bundesweite Strategieänderung für eine
Neuausrichtung der Arbeitsvermittlung sei zudem am Widerstand des
AMS-Verwaltungsrats gescheitert.

Die problematische Organisationsstruktur ist nach Einschätzung der
PrüferInnen allerdings nicht der alleinige Grund, warum die
Effektivität arbeitsmartktpolitischer Fördermaßnahmen in den Jahren
zwischen 2011 und 2015 stetig abgenommen hat. Vielmehr wurde auch den
Kostenstrukturen und der Kostenverantwortung beim Arbeitsmarktservice
insgesamt viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zwar startete das
AMS mehrere Reformprojekte zur Entlastung der Organisation, weder
wurden aber deren Einsparungspotentiale berechnet noch
organisatorische Konsequenzen mitbedacht, wird im Prüfbericht
festgehalten. Das gilt auch für das neu entwickelte Programm zur
automatisierten Jobvermittlung („Skillmatching“).

Zusätzlichen Kostendruck erwartet der Rechnungshof durch die zuletzt
erfolgte Personalaufstockung beim AMS, zumal das
Bundesfinanzrahmengesetz signifikante Einsparungen vorsieht. Er hält
daher ein effektives Kostensenkungsprogramm für die Betriebsführung
ebenso für unerlässlich wie quantifizierbare und überprüfbare
Zielvorgaben für die einzelnen AMS-Geschäftsstellen. Zudem regen die
PrüferInnen an, den eingeleiteten Prozess zur Verbesserung der
Schulungseffektivität zu beschleunigen, in regelmäßigen Zeitabständen
neue WirtschaftsprüferInnen zu bestellen und die Auslagerung der
IT-Aufgaben an einen einzigen IT-Dienstleister zu überdenken.

Um die Effizienz des AMS zu steigern, empfiehlt der Rechnungshof
darüber hinaus, das AMS auf neue Beine zu stellen und die
Ausgliederung in der derzeitigen Form mit einem eigenen und einem
übertragenen Wirkungsbereich durch einen vollständig ausgegliederten
Rechtsträger zu ersetzen. Gleichzeitig wäre sicherzustellen, dass der
Bund in den Eigentümergremien des AMS über eine Stimmenmehrheit
verfügt und unmittelbare Steuerungs- und Eingriffsmöglichkeiten hat.
Zu diesem Zweck halten es die PrüferInnen auch für erforderlich, die
Landesorganisationen dem Vorstand des AMS zu unterstellen. Zweckmäßig
wäre es überdies, die Gestaltung der arbeitsmarktpolitischen
Förderungen auf operativer Ebene ausschließlich beim AMS zu
konzentrieren.

Kundensegmentierung: SPÖ fürchtet Nachteile für Frauen und andere
Gruppen

Die Kritikpunkte des Rechnungshofs wurden in der Debatte auch von den
Abgeordneten aufgegriffen. Der Prüfbericht sei wahrlich kein
Lobesbericht, sagte etwa Gerald Hauser (FPÖ) und wies auf eklatante
Mängel beim AMS sowie die zahlreichen Empfehlungen des Rechnungshofs
hin. Konkret griff er etwa die Forderung heraus, die föderale
Struktur nicht an den Grenzen politischer Bezirke, sondern an
regionalen Wirtschaftsräumen auszurichten. Ausdrücklich festgehalten
wurde von Hauser, dass der Prüfzeitraum nicht in die Amtszeit von
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein fällt.

Mehr Effizienz und Effektivität beim AMS halten auch ÖVP-Abgeordneter
Hermann Gahr und JETZT-Abgeordneter Wolfgang Zinggl für notwendig.
Auch wenn Einzelfälle nicht repräsentativ sein mögen, sei klar, dass
beim Schulungsangebot nicht alles ganz optimal laufe, sagte Zinggl.
Er wollte außerdem wissen, ob Arbeitslose gezielt in Richtung
Mangelberufe und Pflege geschult werden. Ausschussvorsitzende Irmgard
Griss (NEOS) sprach sich dafür aus, über die österreichischen Grenzen
hinauszuschauen und an erfolgreichen Projekten in anderen Ländern
Anleihe zu nehmen.

Von Seiten der SPÖ wurde insbesondere die geplante Aufteilung der
Arbeitslosen in drei Gruppen angesprochen. Sowohl Irene
Hochstetter-Lackner als auch Rudolf Plessl fürchten, dass sich diese
Segmentierung nachteilig auf bestimmte Gruppen wie
langzeitarbeitslose Personen, Frauen mit Betreuungspflichten oder
behinderte Menschen auswirken wird. Plessl hält es außerdem für eine
Diskriminierung von Frauen, wenn diese bei der für die Einstufung
maßgeblichen Berechnung allein schon deshalb einen Punkteabzug
erhalten, weil sie eine Frau sind.

Die Kritik des Rechnungshofs am AMS wurde von Plessl und
Hochstetter-Lackner hingegen relativiert. Schließlich sei es im
untersuchten Zeitraum mit nur 7% mehr Planstellen zu 44% mehr
Vermittlungen gekommen, hob Plessl hervor. Zudem verwiesen auch die
beiden SPÖ-Abgeordneten auf die Reihung des AMS unter die Top 3 in
Europa.

Computer-Programm zur Kundensegmentierung seit 10 Tagen online

AMS-Vorstand Johannes Kopf machte geltend, dass das AMS in den Jahren
2011 bis 2015 mit massiv steigernder Arbeitslosigkeit konfrontiert
gewesen sei. Da gleichzeitig ein starker Zuzug hochqualifizierter
Arbeitskräfte stattfand, sei es schwierig gewesen, die Menschen in
Arbeit zu bringen. Das AMS habe aber mehrere Projekte zur Hebung der
Schulungseffektivität gestartet.

Auch die immer wieder geäußerte Kritik an Bewerbungstrainings für
hochqualifizierte Arbeitslose wollte Kopf nicht gelten lassen. Diese
Trainings dienten weniger dazu, um den Betroffenen zu zeigen, wie man
sich richtig bewirbt, vielmehr gehe es darum, diese dazu zu bewegen,
das auch zu tun. Besonders Führungskräfte über 50 seien bei
Bewerbungen oft wählerischer als es das Gesetz vorsehe, sagte er.
Erst später, mit fortdauernder Arbeitslosigkeit, komme dann die
Einsicht, dass es besser gewesen wäre, eine angebotene Stelle
anzunehmen. Die Beschwerderate bei der Ombudsstelle des AMS liegt
laut Kopf lediglich bei 1%, was rund 3.500 Personen entspricht.

Verteidigt wurde von Kopf die geplante „Kundensegmentierung“. Es gebe
viele Menschen, die weit weg vom Arbeitsmarkt sind, etwa weil sie
psychische Probleme haben, skizzierte er. Diese müsse man zunächst
stabilisieren, bevor man ihnen Maßnahmen zur Höherqualifizierung wie
eine Fachkräfteausbildung anbiete. Hier habe man zuletzt schon einige
erfolgversprechende Formate erprobt.

Derzeit würden AMS-Kunden drei Monate in der Servicezone, die
vorrangig auf Arbeitsvermittlung abzielt, betreut, schilderte Kopf.
Nur wenn sie nach drei Monaten immer noch arbeitslos sind, das sind
rund 60%, kommen sie in die Beratungszone mit intensiverer Beratung
und Förderung. Eines der Ziele des neuen Systems sei es nun,
Personen, die schlechte Chancen am Arbeitsmarkt haben, vom ersten Tag
an zu betreuen und zu beraten und nicht drei Monate warten zu lassen.
Gleichzeitig wolle man dem Umstand Rechnung tragen, dass Personen mit
hohen Arbeitsmarktchancen weniger Unterstützung bräuchten.

Die Befürchtung, dass durch den angewendeten Computer-Algorithmus
bestimmte Personengruppen diskriminiert werden, hält Kopf für
unbegründet. Schließlich habe das AMS den ausdrücklichen Auftrag,
Diskriminierung zu vermeiden. Vielmehr gehe es darum, die
Arbeitsmarktchancen so realitätsnah wie möglich abzubilden und die
Betreuung zielgerecht danach auszurichten. Bei entsprechenden
Analysen habe eine Trefferwahrscheinlichkeit von 85% festgestellt
werden können. Kopf machte überdies geltend, dass die Einreihung
einer Person in eine der drei Gruppen und die damit verbundene
Entscheidung über die Genehmigung einer Fördermaßnahme letztendlich
ohnehin der individuellen Beurteilung des Beraters obliegen wird.

Kopf ist auch überzeugt, dass sich das System nicht negativ auf
Frauen auswirken wird. Es habe sich vielmehr gezeigt, dass Frauen in
der mittleren Gruppe, in die das meiste Geld fließen wird,
überrepräsentiert und in der untersten Gruppe unterrepräsentiert
sind. Das habe unter anderem auch damit zu tun, dass sich
Langzeitarbeitslosigkeit bei Frauen offenbar weniger
einstellungshemmend auswirke als bei Männern. Überdies seien auch
weiterhin 50% der AMS-Mittel für Frauen reserviert, obwohl ihr Anteil
unter den Arbeitslosen nur 42% beträgt. Das Computer-Programm ist
laut Kopf seit 10 Tagen online, auf die Budget- und
Personalverteilung hat es vorerst aber noch keine Auswirkung.

Kopf: AMS hat etliche Empfehlungen des Rechnungshofs bereits
umgesetzt

Zur Kritik des Rechnungshofs an der mangelnden Effizienz des AMS
merkte Kopf an, das AMS sei verpflichtet, allen Arbeitslosen Angebote
zu machen, auch wenn sie in abgelegenen Regionen wohnen oder schwer
vermittelbar sind. Man wolle auch niemandem zumuten, stundenlange
Wege zum AMS zurückzulegen. Welche Mittel das AMS erhalte, sei eine
politische Entscheidung, dem AMS obliege es, darauf zu achten, dass
diese so effizient wie möglich eingesetzt werden. Die vom AMS
entwickelte Steuerung werde von anderen Staaten als Vorbild gesehen,
auch wenn der Rechnungshof das System als zu komplex bewerte. Viele
Empfehlungen sind Kopf zufolge überdies bereits umgesetzt worden.

Von Ausschussvorsitzender Griss auf vor kurzem von der Regierung
präsentierte Daten zur Mindestsicherung angesprochen, wies Kopf
darauf hin, dass das AMS ausschließlich Daten über jene
MindestsicherungsbezieherInnen verfüge, die als arbeitssuchend
gemeldet sind. Das seien übers Jahr gerechnet rund 110.000 Personen.
Wer davon in die Gruppe mit Migrationshintergrund fällt, hängt laut
Kopf davon ab, ob er bzw. sie jemals eine ausländische
Staatsbürgerschaft besessen hat oder noch besitzt (erste Generation)
bzw. jemals bei einer Person mit ausländischer Staatsbürgerschaft
mitversichert war (zweite Generation).

Hartinger-Klein: Man muss aus der Vergangenheit lernen

Großes Lob für den Rechnungshofbericht gab es von Sozialministerin
Beate Hartinger-Klein. Dieser sei ein „toller Bericht“, man müsse aus
der Vergangenheit lernen, sagte sie. Als ein Ziel für 2019 nannte
Hartinger-Klein eine Steigerung der Schulungseffektivität, zudem
zeigte sie sich darüber erfreut, dass es gelungen sei, das
Fachkräftestipendium zu verlängern. Die Kürzung der Budgetmittel im
kommenden Jahr sei auf die sinkende Arbeitslosigkeit zurückzuführen.
Im Pflegebereich werden ihr zufolge derzeit 5.700 Personen
qualifiziert bzw. ausgebildet.

Vom Personalabbau bei SchulungsanbieterInnen werden laut
Hartinger-Klein rund 900 TrainerInnen und 300 SprachlehrerInnen
betroffen sein. Grund des Abbaus sei, dass die Nachfrage nach Kursen
aufgrund der sinkenden Arbeitslosigkeit zurückgehe. Für die
Betroffenen sei eine stiftungsähnliche Maßnahme angedacht.

Was die Arbeitsmarktrücklage betrifft, verwies Hartinger-Klein auf
laufende Gespräche mit dem Finanzministerium. Ihr zufolge gibt es
aber klare Regeln, dass diese Mittel für den Arbeitsmarkt zu
verwenden sind und nicht für die Verwaltung.

Erste Gesamtprüfung des AMS seit Ausgliederung 1994

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker wies darauf hin, dass der
Rechnungshof das AMS erstmals seit dessen Ausgliederung 1994 einer
Gesamtprüfung unterzogen habe, wobei der Fokus der Prüfung darauf
lag, wie die Organisation des AMS funktioniere. Sie sieht die
regionale Aufsplitterung des AMS kritisch, zudem braucht es ihrer
Meinung nach langfristige Steuerelemente, um rascher auf neue
Gegebenheiten und Rahmenbedingungen reagieren zu können. Kritisch
bemerkte Kraker auch, dass im Zuge der Personalaufstockung beim AMS
der Personalstand in den Zentralstellen stärker gestiegen sei als in
den regionalen Geschäftsstellen. Der

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