Zahnmedizinische Versorgung: Rahmenbedingungen aus Sicht desRechnungshofs suboptimal

Rechnungshofausschuss debattiert RH-Bericht für die Jahre 2014 bis 2016

Wien (PK) – Die Versorgung im Bereich der Zahnmedizin war Thema einer
Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof (RH). Prüfungshandlungen
erfolgten bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), der
Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK), beim Hauptverband
der österreichischen Sozialversicherungsträger (Hauptverband) und
beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. Auskünfte wurden
auch bei der Gesundheit Österreich GmbH sowie bei der
Österreichischen Zahnärztekammer eingeholt.

Im Jahr 2014 betrugen demnach die Gesamtausgaben für die
zahnärztliche Versorgung 1,8 Mrd. €. Mit 926 Mio. €, also etwas mehr
als der Hälfte davon, gehörten die Ausgaben für zahnärztliche
Versorgung neben den Ausgaben für Pflege und Medikamente zu den drei
größten privaten Gesundheitsausgaben, so der Bericht.

Die zur Zeit der Gebarungsüberprüfung geltenden Gesamtverträge in der
Zahnmedizin würden darüber hinaus bereits auf das Jahr 1956
zurückgehen. Aktualisierungen der Leistungspositionen seien im
Wesentlichen 1972 und 1992 erfolgt. Die Konzeption sei demnach in
mehreren Punkten überaltet, etwa hinsichtlich Beratung, Vorsorge,
Prophylaxeleistungen und Technik, kritisiert der Rechnungshof.

Im Ergebnis haben nach Einschätzung des RH etwa die Rahmenbedingungen
der Gesamtvertragsverhandlungen „Zahn neu“ seit 2003, aber auch die
Vorgehensweise der Krankenversicherungsträger dazu beigetragen, dass
ein Abschluss des Gesamtvertrags nicht gelang und somit die
Versorgungssituation „suboptimal“ blieb. Der entsprechende Bericht (
III-133 d.B. ) stand heute im Rechnungshofausschuss zur Debatte und
wurde einhellig zur Kenntnis genommen.

Kraker: Kernpunkt der Kritik ist aus 1956 stammender Gesamtvertrag

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker unterstrich als Kernpunkt der
Kritik, dass der aus 1956 stammende Gesamtvertrag bestehe und
zwischenzeitlich kein neuer zustande kam. Über die Notwendigkeit zur
Erneuerung, um den aktuellen Stand der Technik und die geänderten
Bedürfnisse abzubilden, bestehe allgemeine Einigkeit. Auch
hinsichtlich der Leistungen hofft sie auf neue Verträge, damit es zu
Klarheit komme. Zu den Zahnambulatorien empfehle der RH die
Entwicklung einer Strategie für deren Rolle in der
Versorgungslandschaft und die Integration dieser in den Regionalen
Strukturplan Gesundheit RSG.

Hartinger-Klein: Kassenfusion ist auch Meilenstein für Zahngesundheit

Bundesministerin Beate Hartinger-Klein versicherte auf eine
diesbezügliche Frage von Wolfgang Zinggl (JETZT), dass sich die
Selbstbehalte durch die Reform der Kassenfusionierung reduzieren
würden. Zinggl befürchtet ebenso wie etwa Karin Greiner (SPÖ) darüber
hinaus, dass die hohen Privatkosten zu Benachteiligungen für Ärmere
führen. Etwa hinsichtlich der Verwendung von Amalgam macht sich
Greiner Sorgen, dadurch auch auf den sozialen Status schließen zu
können. Amalgam sei grundsätzlich rückläufig, sagte dazu
Hartinger-Klein und kündigte an, über dessen Einsatz den Status zu
erheben und das genau anzusehen. Zu Greiners Frage zu
Verbesserungsmöglichkeiten bei den Mundhygienekosten gebe es bereits
Maßnahmen, wobei man bei den Kindern ansetze. Das würde die
Versicherung auch bereits übernehmen, so die Ministerin. Die
Digitalisierung könnte ihr zufolge für Kinder Möglichkeiten bieten,
sie zu unterstützen, besser die Zähne zu putzen.

Von einem Meilenstein der Fusionierung der Krankenkassen sprach
Hartinger-Klein auch im Hinblick auf den Gesamtvertrag, hier werde es
zu Änderungen kommen. So hinterfragte etwa Philip Kucher (SPÖ), ob in
Zukunft wirklich alle Menschen in Österreich gleich gute Leistungen
in der zahnmedizinischen Versorgung bekommen würden. Für eine
gezielte Ausbildung zur Kieferorthopädie, die Angela Fichtinger (ÖVP)
thematisierte, erwähnte Hartinger-Klein eine Arbeitsgruppe und den
Plan, die Ergebnisse demnächst mit den Stakeholdern in ein Gesetz zu
gießen. Auch gegenüber Christian Lausch (FPÖ) bekräftigte sie die
Notwendigkeit der Modernisierung des veralteten Leistungskatalogs und
sprach sich für die Sicherstellung einer zeitgemäßen Zahnbehandlung
als Sachleistung aus. Dabei solle auch verstärkt auf präventive
Leistungen geschaut werden. Keinesfalls kämen höhere Selbstbehalte in
Frage, so die Ministerin, die auch das kostengünstige
Leistungsangebot der Zahnambulatorien als niederschwelliges Angebot
der Versicherungsträger beibehalten will. Auch wenn vielleicht nicht
alles gleich gemacht werden könne, zeigte sie sich überzeugt, etwa
durch Präventivmaßnahmen die WHO-Ziele erreichen zu können. In
Richtung Andreas Kollross (SPÖ), der die Sinnhaftigkeit der
Parteienstellung der Zahnärztekammer hinterfragte, kündigte
Hartinger-Klein an, sich die Situation genau ansehen zu wollen.

Ausschussvorsitzende Irmgard Griss (NEOS) thematisierte etwa, dass
die Hälfte der Versorgung aus privaten Leistungen bestehe und es
mangels Daten dazu kein Bild darüber gebe, wie es um die
Zahngesundheit bestellt ist. Auch dazu werde sie Erhebungen machen,
sagte Hartinger-Klein und will das Thema mittel- bis langfristig in
Angriff nehmen.

Rechnungshof fühlt der Zahnversorgung auf den Zahn

Ziele der Gebarungsüberprüfung des Rechnungshofs über die Versorgung
im Bereich der Zahnmedizin waren die Beurteilung der Sparsamkeit,
Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Hinblick auf die
gesundheitspolitische Steuerung, auf das Leistungsspektrum der
Krankenversicherungsträger, zur Erbringung von Leistungen in den
kasseneigenen Zahnambulatorien sowie zur Einführung und
Implementierung der „Gratiszahnspange“. Der Prüfungszeitraum umfasste
die Jahre 2014 bis 2016. Soweit erforderlich nahm der RH auch auf
frühere bzw. aktuellere Entwicklungen Bezug, so der Bericht.

Trotz entsprechender Empfehlungen der WHO und dem in der
Gesundheitsreform 2012 festgelegten Prinzip der Wirkungsorientierung
fehlten Gesundheitsziele für den Zahnbereich in Österreich
weitgehend, wirft der RH etwa auf. Beispielsweise in der Behandlung
von Zahnfleischproblemen zeigen sich demnach die Probleme besonders
deutlich. Fehlen würden hier etwa Daten zur Häufigkeit der Erkrankung
– eine Dunkelziffer analog zu Deutschland betrage 53 % der
Erwachsenen -, ebenso wie gesicherte Daten zur Behandlung. Eine
aktuelle, am Stand der Technik definierte Versorgungsleistung der
Sozialversicherung vermisst der RH ebenso wie klare Ziele für
Gesundheit und Versorgungsdichte der Bevölkerung.

Ein wesentlicher Teil der Strategie der Krankenversicherungsträger
nach dem Scheitern der Gesamtvertragsverhandlungen war die
Erweiterung des Leistungsspektrums der kasseneigenen
Zahnambulatorien, so der Bericht weiter. Damit sei aber weder eine
signifikante Verbesserung der Versorgung, noch eine wesentliche
Verbesserung der Rentabilität erreicht worden. Ein wesentlicher Grund
für den nur langsamen Ausbau der Leistungen sei dessen Bindung an
Bedarfsprüfungsverfahren gewesen. Eine Erweiterung erforderte demnach
die Zustimmung oder Verfahrens-Parteistellung der Österreichischen
Zahnärztekammer.

Für Zahnspangen gelang mit 1. Juli 2015 laut RH-Bericht eine
Sachleistungsversorgung ohne Patientenzuzahlung für
behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche – die
„Gratiszahnspange“. Der Gesetzgeber stellte zweckgewidmet zusätzliche
Steuermittel von 80 Mio. € jährlich zur Verfügung.

Trotz eines im Gesamtvertrag vom Gesetzgeber eingeforderten
Qualitätssicherungssystems hinsichtlich Kieferorthopädie bewertete
die NÖGKK dennoch alle Ausbildungen gleich und überprüfte die
eingereichten Behandlungsfälle nur stichprobenartig, merkt der RH
kritisch an. Die Kasse gab demnach an, dass andernfalls eine
zeitgerechte Umsetzung der Versorgung nicht möglich gewesen wäre. Die
WGKK habe demgegenüber eine umfassende Überprüfung durchgeführt,
konnte aber erst nach mehreren Ausschreibungsrunden im Jahr 2017 die
letzte Stelle besetzen, so der Bericht.

Angesichts des erheblichen Marktanteils von Privatleistungen und der
nur allgemeinen Überprüfung durch die Österreichische Zahnärztekammer
hat der RH laut Bericht wesentliche Lücken in der systematischen
Qualitätsarbeit verortet. Zusammenfassend hält er es für geboten,
Zahngesundheits- und Versorgungsziele zu definieren, die Ergebnisse
systematisch zu messen sowie den Leistungskatalog zu aktualisieren
und stärker auf Prophylaxe auszurichten. Außerdem sollten demnach die
Anbieterstruktur nach analytischen Kriterien gestaltet und eine
systematische Qualitätsarbeit entwickelt werden. Dadurch könne sich
die Zahngesundheit und die Versorgung von Zahnproblemen erheblich
verbessern. Der Rechnungshof weist außerdem darauf hin, dass schon
seit längerem laufende Reformvorhaben (Gesundheitsziele,
systematische Diagnosedokumentation, Qualitätsarbeit) bisher wenig
konkrete Ergebnisse im Zahnbereich gezeigt haben. Durch die
Gesetzesänderungen 2017 habe die Chance bestanden, mit der
Gesundheitsplanung 2018 einen wesentlichen weiteren Schritt zu
setzen. Von essentieller Bedeutung dabei sei etwa der zeitnahe
Abschluss eines modernen Gesamtvertrags. (Fortsetzung
Rechnungshofausschuss) mbu

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