
Delegation aus Ungarn zu Besuch im Parlament
Aussprache mit österreichischen MandatarInnen über Justiz und Inneres
Wien (PK) – Ungarns Pläne für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie
Migrationsthemen und die Zusammenarbeit zwischen Österreich und
Ungarn standen heute im Mittelpunkt eines Gedankenaustauschs zwischen
österreichischen und ungarischen MandatarInnen im Parlament. „Es ist
wichtig, dass zwischen unseren beiden Parlamenten ein lebendiger
Austausch stattfindet“, sagte der Vorsitzende des ungarischen
Justizausschuss Imre Vejkey. Ungarn ist dementsprechend an stärkeren
parlamentarischen Beziehungen mit Österreich interessiert.
Vor dem Hintergrund der ins Auge gefassten Schaffung einer neuen
Verwaltungsgerichtbarkeit in Ungarn ging Vejkey auf die Geschichte
des Landes bis hin zur Ausrufung der Republik Ungarn 1989 ein. Eine
kontinuierliche Rechtsprechung auszugestalten, sei deshalb erst seit
den 1990iger Jahren möglich gewesen, infolge dessen sei eine neue
Verfassung – ein „Grundgesetz eines freien Staates“ – erst 2011
verabschiedet worden. Aktuell sei Ungarn dabei, das Verwaltungsrecht
von Straf- und Zivilsachen abzutrennen und neue Verwaltungsgerichte
einzurichten.
Auf die Frage Vejkeys, wie sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit in
Österreich bisher bewährt habe, berichteten die Vorsitzende des
Justizausschusses Michale Steinacker (ÖVP), Hermann Brückl (FPÖ)
sowie Irmgard Griss (NEOS) über die Verwaltungsreform 2014. „Davor
waren keine Richter am Werk, wenn Recht gesprochen wurde. Seit 2014
urteilen Richter über Verwaltungsverfahren. Wir haben hier eine
strenge Gewaltenteilung. RichterInnen müssen unabhängige, neutrale
Personen in ihren Entscheidungen sein“, sagte Steinacker.
„Bei der Auswahl von VerwaltungsrichterInnen muss jeder
parteipolitische Einfluss verhindert werden. Es muss objektive
Auswahlverfahren geben, die auf die Qualifikation der RichterInnen
abstellen“, bekräftigte auch Griss. Schon vor einigen Jahren habe
sich etwa die Richtervereinigung für eine eigene Ausbildung von
VerwaltungsrichterInnen ausgesprochen, der politische Wille habe
bisher allerdings gefehlt. Nun laufe die Diskussion, ob es für
VerwaltungsrichterInnen eine ähnliche Ausbildung wie für ordentliche
RichterInnen geben soll, wieder an. Nachdem die Verwaltungsgerichte
nunmehr dem Justizministerium unterstehen würden, gebe es eine
Tendenz in diese Richtung. „Es wird auch dazu kommen, davon bin ich
überzeugt“, so Griss.
Steinacker meinte dazu, dass die Landesverwaltungsgesetze in
Österreich sehr spezifisch seien, wodurch SpezialistInnen gebraucht
würden, das Ziel allerdings eine gemeinsame richterliche
Basisausbildung sein sollte.
Migrationsthema als Dauerbrenner
Einen großen Teil der Aussprache nahm das Thema Migration ein. Die
ungarische Abgeordnete Andrea Varga-Damm interessierte sich dabei für
Änderungen von Rechtsnormen in Österreich etwa als Folge der
Flüchtlings- und Migrationswelle 2015. Dazu meinte Steinacker, dass
sich Österreich als EU-Mitglied hier grundsätzlich innerhalb von
EU-Recht bewege. Überall dort, wo nationales Recht anwendbar ist,
seien allerdings Maßnahmen gesetzt worden, um die Krise in den Griff
zu bekommen. „Wir haben die bestehende Gesetzeslage zum Teil durchaus
genutzt“, meinte Brückl, das habe sich etwa durch Grenzkontrollen
gezeigt.
Griss merkte in diesem Zusammenhang an, dass das österreichische
Fremdenrecht in den letzten Jahren oft geändert und damit sehr
unübersichtlich geworden sei. Ein großes Problem stelle etwa nach wie
vor die lange Dauer von Asylverfahren dar.
Imre Vejkey warf ein, dass durch die Situation mit terroristischen
Gruppierungen in Mittelafrika 55 Millionen Menschen dazu gezwungen
worden seien, sich in Richtung Nordafrika und Europa auf den Weg zu
machen. Nicht abschätzbar sei, wie viele Menschen noch dazukommen
würden, so Vejkey. Die illegale Migration, die bisher stattgefunden
habe, sei nur ein Schatten dessen, was in nächster Zeit zu erwarten
sei, unterstrich er. Ein ebensolches Problem stelle umgekehrt das
Thema verfolgte ChristInnen vor allem im Irak und in Syrien dar, so
Vejkey, der die Frage aufwarf, was man zu deren Schutz tun könne.
Ungarn sei bisher das einzige Land, in dem es ein Staatssekretariat
für verfolgte ChristInnen gebe.
ÖVP-Nationalratsabgeordneter Wolfgang Gerstl glaubt in Bezug auf
Migration, dass sowohl Ungarn als auch Österreich aus dem Jahr 2015
gelernt haben. Der Schutz der nationalen Grenzen sei auch eine
nationale Aufgabe. Seines Erachtens umfasse die Migrationsthematik
nicht nur politisch oder religiös verfolgte Personen, sondern auch
eine zu erwartende Bevölkerungsexplosion in den Entwicklungsländern.
Afrika werde in 100 Jahren dreimal so viele EinwohnerInnen haben, so
Gerstl, daher müsse man sich innerhalb der EU strategisch besonders
des Kontinents Afrika annehmen. Als eines der Ziele zum Thema
Migration nannte er, die EU-Außengrenzen zu schützen. Es würde
außerdem wirtschaftlicher Projekte mit den Ländern in Afrika
bedürfen, die an die Rücknahme von illegalen Flüchtlingen gebunden
sein müssten.
Auch Susanne Fürst (FPÖ) befürchtet eine Bevölkerungsexplosion in
Afrika und schloss sich diesbezüglich Gerstl an. Selbiges gelte für
viele Länder im arabischen Raum. „Wir müssen in Richtung einer
Festung Europa gehen“, so Fürst, und „müssen die Außengrenzen zu
machen.“ Gebremst werde aus ihrer Sicht dabei aber immer wieder von
der internationalen Gerichtsbarkeit – etwa vom Europäischen
Gerichtshof (EuGH) oder vom Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte.
Christian Schandor (FPÖ) begrüßte den von Vejkey angesprochenen
Wunsch nach verstärkter Zusammenarbeit auf ministerieller und
parlamentarischer Ebene sowie bei den Polizeikräften. Er verwies
darauf, dass gerade jetzt die Bedeutung des nationalen Militärs und
der Polizei hervorzuheben sei, letztere werde in Österreich auch
entsprechend aufgestockt. Einen Beitrag im Rahmen einer europäischen
Armee schließe er als Österreicher aber definitiv aus, auch wenn
Österreich sowie Ungarn einen Beitrag bei Frontex leisten müssten.
Die ungarischen Gäste verteidigten das Vorgehen ihrer Regierung
gegenüber Kritik und unterstrichen, Ungarn stehe mit allen
EU-Rechtsnormen im Einklang.
Ein entscheidendes Problem bei Frontex ist Fürst zufolge, dass
Menschen, die im Meer aufgegriffen würden, nicht nach Afrika
zurückgebracht werden dürften.
Wolfgang Gerstl führte auf entsprechende Fragen seitens der
ungarischen Abgeordneten die Ziele der inneren Sicherheit in
Österreich aus. Diese würden Kriminalitätsbekämpfung, Bekämpfung von
staatsfeindlichem Extremismus sowie terroristischer Angriffe und den
Kampf gegen Cyberkriminalität umfassen. Letzterer sei der einzige
Bereich, der derzeit in Österreich steigende Zahlen aufweise. Dazu
komme ganz klar eine Migrationspolitik gegen illegale Zuwanderung,
sowie legale Zuwanderung nur nach den Bedürfnissen Österreichs.
Angestrebt werde ebenso die konsequente Verhinderung von
Asylmissbrauch durch verschärfte Sozialmaßnahmen und effizientes,
grenzüberschreitendes Katastrophenschutzmanagement. Als Nachbarländer
hält er Ungarn und Österreich für verpflichtet, innerhalb der EU
zusammenzuarbeiten, auch wenn die Bedürfnisse in jedem Land ein wenig
anders seien. Intensiv zusammenarbeiten möchte Gerstl auch mit allen
Visegrád-Staaten, sowohl was Rechte, aber auch Pflichten betrifft.
Vonseiten des österreichischen Parlaments waren bei der Aussprache
die Abgeordneten des Justiz- sowie Innenausschusses Michaela
Steinacker, Wolfgang Gerstl (beide ÖVP), Hermann Brückl, Christian
Schandor, Susanne Fürst (alle FPÖ) sowie Irmgard Griss (NEOS)
vertreten. (Schluss) keg/mbu
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