
Lebenshilfe: 10 Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention viele Inklusionsbaustellen offen
Lebenshilfe fordert verbesserten Zugang zu Regelschule und Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes
Wien (OTS) – „Mit dem heutigen internationalen Tag der Menschen mit
Behinderungen fordert die Lebenshilfe im Sinne der
UN-Behindertenrechtskonvention ein selbstbestimmtes und
gleichgestelltes Leben von Menschen mit Behinderungen inmitten der
Gesellschaft. Das bedeutet: Selbstbestimmung statt Bevormundung und
Rechtsansprüche statt milder Gaben. Auch 10 Jahre nach der
Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention bleiben sehr viele
Inklusionsbaustellen offen“, erklärt Lebenshilfe Generalsekretär
Albert Brandstätter anlässlich des Internationalen Tages der Menschen
mit Behinderungen am 3. Dezember.
Seit dieser Tag von den Vereinten Nationen erstmals 1993 ausgerufen
wurde, gab es laut Lebenshilfe durchaus Fortschritte: So waren
entscheidende Meilensteine das Inkrafttreten des
Behindertengleichstellungspakets und die Ratifizierung der
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vor 10
Jahren. Auf Anregung der Lebenshilfe wurde daraufhin ein nationaler
Aktionsplan erstellt.
Allerdings bleibt noch sehr viel zu tun: Die zentralen
Herausforderungen für ein selbstbestimmtes Leben sind laut
Lebenshilfe der Zugang von Menschen mit Behinderungen zu einer
inklusiven Regelschule, die Menschen besser auf den Arbeitsmarkt
vorbereitet, die Schaffung eines erweiterten Arbeitsmarktes,
Wahlmöglichkeiten für selbständige und individuelle Wohnformen und
eine qualifizierte bundesweite Persönliche Assistenz.
Verbesserter Zugang zu sozialversicherungsrechtlich abgesicherten
Arbeitsverhältnissen
Vorrangig ist die Schaffung von sozialversicherungsrechtlichen
Anstellungsverhältnissen in Werkstätten. Sie sollen die Voraussetzung
für die Inanspruchnahme vieler Leistungen der Sozialversicherung und
damit für den uneingeschränkten Zugang zum System sozialer Sicherheit
in Österreich bieten.
Viele Menschen mit intellektuellen Behinderungen gelten in
Österreich als arbeitsunfähig und sind somit meist auf Angebote der
Länder beschränkt, denen noch immer vorwiegend Therapiecharakter
zugeschrieben wird. Etwa 24.000 Menschen sind derzeit in so genannten
„Tagesstrukturen“ beschäftigt – mit teils erheblichen Auswirkungen:
Diese Personen erhalten statt eines Arbeitsentgelts lediglich ein
Taschengeld, sind nicht in der Pensionsversicherung versichert und
können auch die Leistungen der Krankenversicherung aufgrund ihrer
Mitversicherung nur mit Einschränkungen in Anspruch nehmen.
Forderungen der Lebenshilfe
Die Lebenshilfe fordert daher den umfassenden Zugang von Menschen mit
Behinderungen zu inklusiver Bildung ab dem Kindergarten bis hin zu
tertiären Ausbildungen, da dies eine entscheidende Voraussetzung für
den Zugang zu existenzsichernder Erwerbsarbeit darstellt.
Gleichzeitig fordert sie einen offenen und inklusiven erweiterten
Arbeitsmarkt.
Mögliche Übergänge zwischen Tagesstrukturen und Werkstätten und den
allgemeinen Arbeitsmarkt sollen dabei flexibel und in alle Richtungen
durchlässig gestaltet werden. Im Sinne eines individuellen Rechts auf
Teilhabe am Arbeitsleben und der Möglichkeit nach den eigenen
Fähigkeiten zur seinem Einkommen beizutragen, sollte die starre und
willkürlich festgesetzte 50 Prozent Arbeitsfähigkeits-Grenze fallen.
Selbstbestimmtes Wohnen
Selbstbestimmtes Wohnen ist eine weitere zentrale Herausforderung:
Menschen mit Behinderungen sollen selbst bestimmen, wie, wo und mit
wem sie wohnen möchten. Daher fordert die Lebenshilfe
Wahlmöglichkeiten durch ein ausreichendes Angebot an
unterschiedlichen Wohnformen in jeder Lebensphase sicherzustellen.
Die De-Institutionalisierung sollte mutiger vorangetrieben werden und
eigenständige Wohnformen, die auf die Bedürfnisse der einzelnen
Person zugeschnitten sind, sowie kleine Wohneinheiten ausreichend
finanziell abgesichert werden.
Persönliche Assistenz
Die Lebenshilfe Österreich fordert weiters Rechtsansprüche auf
qualifizierte Persönliche Assistenz sowie auf personenzentrierte
Unterstützung für alle Menschen mit Behinderungen unabhängig vom
Ausmaß und Art der Behinderungen. „Aus unserer Sicht bedarf es einer
bundesweit einheitlichen und bedarfsgerechten Regelung für die
Inanspruchnahme persönlicher Assistenz, unabhängig davon, ob diese
für die Absolvierung einer Ausbildung, die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit oder in der Freizeit benötigt wird“, betont Albert
Brandstätter.
Gemeinsam Barrieren in Kopf und Gesellschaft abbauen
„Viele Barrieren befinden sich in Kopf und Einstellung der Menschen.
Daher sollte die Regierung sehr viel mehr Gewicht auf
Bewusstseinsbildung in Richtung Inklusion legen. Eine besondere Rolle
kommt dabei politischen EntscheidungsträgerInnen zu. Allerdings sehen
wir hier derzeit eine problematische Entwicklung auf Bundesebene:
Menschen mit Behinderungen werden sehr häufig zu spät in die
Entwicklung von Gesetzen einbezogen“, zeigt sich die Lebenshilfe
besorgt und fordert: „Besonders in die Erstellung eines neuen
Nationalen Aktionsplanes für die Zeit nach 2020 sollen Menschen mit
Behinderungen rasch und frühzeitig eingebunden werden.“
Lebenshilfe Österreich
Eudora Loitsch
Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
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