Europäischer Rechnungshof legt Schwerpunkt auf wirksamen Einsatz derMittel

Oskar Herics präsentiert im EU-Ausschuss des Bundesrats neueste Prüfergebnisse und Tendenzen

Wien (PK) – In einer „gut gewordenen Tradition“, wie der Vorsitzende
des EU-Ausschusses des Bunderats Christian Buchmann (ÖVP/St) betonte,
informierte auch heuer wieder der österreichische Vertreter im
Europäischen Rechnungshof, Oskar Herics, die Ausschussmitglieder über
jüngste Prüfergebnisse des europäischen Kontrollorgans.

EU-Rechnungshof hat Nutzen der EU-Gelder für die Bürgerinnen und
Bürger im Auge

Der Haushalt der EU betrug im Jahr 2017 137,4 Mrd. €, das sind 0,9%
des Bruttonationaleinkommens (BNE) aller Mitgliedstaaten. 56,7 Mrd. €
gingen in natürliche Ressourcen, das heißt vor allem in die
Landwirtschaft, 35,7 Mrd. € kamen der Kohäsionspolitik zugute, 21,4
Mrd. € standen der Wettbewerbsfähigkeit und 9,8 Mrd. € für
außenpolitische Maßnahmen zur Verfügung. Für die Verwaltung wurden
9,7 Mrd. € aufgewendet, für Sonstiges 4,1 Mrd. €.

Grundsätzlich konnte der Rechnungshof zur Zuverlässigkeit der
Rechnungsführung der EU ein uneingeschränktes Prüfungsurteil abgeben,
stellte Herics fest, die geschätzte Fehlerquote bei den Zahlen sinke
kontinuierlich: lag sie 2012 noch bei 4,8% so ging sie 2015 auf 3,8%,
2016 auf 3,1 % und 2017 auf 2,4% zurück. Diese Werte sagen jedoch
nichts über die Sinnhaftigkeit und das Funktionieren der Projekte
aus, betonte Herics, sondern beruhten nur auf der Feststellung, dass
etwas nicht im Einklang mit den EU-Vorschriften ausgegeben wurde. Was
die Umsetzungsquote der Empfehlungen betrifft, so liege diese bei
rund 80%.

Der Europäische Rechnungshof geht laut Herics mehr und mehr dazu
über, auf den wirksamen Einsatz der Mittel zu achten, das heißt, den
Schwerpunkt vom Input mehr auf die Ergebnisse zu verlagern und auf
den Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger zu achten. Im Fokus stehe
zunehmend die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Mittels eines
Pilotprojekts im Bereich Kohäsion versuche der Europäische
Rechnungshof einen neuen Prüfungsansatz, berichtete Herics, indem von
den Mitgliedsstaaten selbst Zuverlässigkeitspakete verlangt werden
und man dann Stichproben durchführt. Hier ortete Herics noch
zahlreiche Schwachstellen bei den Prüfbehörden der Mitgliedsstaaten
und der EU-Kommission.

Kritik an mangelnder Transparenz und erhöhter Komplexität von
Finanzstrukturen

Kritik übte Herics einmal mehr an der mangelnden Transparenz und der
erhöhten Komplexität der Finanzstrukturen, etwa im Hinblick auf
Treuhandfonds für Drittländer außerhalb des EU-Haushalts. Außerdem
gebe es in manchen Bereichen keine Prüfkompetenz, Herics nannte in
diesem Zusammenhang die Verteidigungsagentur, den
Stabilitätsmechanismus und Operationen der Europäischen
Entwicklungsbank (EIB). Für letztere fand er besonders kritische
Worte in Bezug auf die Wirkung der von ihr geförderten Projekte. Der
Rechnungshof könne nur dann Projekte der EIB prüfen, wenn die Mittel
von der EU-Kommission garantiert werden.

Kritik äußerte Herics auch an einer zu hohen Mittelbindung von
EU-Haushaltsmitteln, bevor überhaupt Zahlungen geleistet werden. Das
führe dazu, dass man dann noch Projekte „herauspresst“, um die Mittel
abzurufen, was sich aber negativ auf die Qualität auswirkt. Insgesamt
sieht Herics ein großes Risiko darin, dass Mittelzuweisungen erst
Jahre nach der politischen Entscheidung erfolgen und die EU
angesichts unzureichender Flexibilität der Haushaltsführung für
unerwartete Ereignisse nicht gerüstet ist.

Weitgehend negativ bewertet Herics die Arbeit des Europäischen Amts
für Betrugsbekämpfung OLA. Dieses reagiere kaum, wenn der Europäische
Rechnungshof Betrugsfälle weiterleitet, die Schnittstelle zur
Strafverfolgung funktioniere einfach nicht. Herics erwartet sich
daher von der Europäischen Staatsanwaltschaft, die 2021 ihre
Tätigkeit aufnehmen soll, Verbesserungen. Die Europäische
Staatsanwaltschaft soll für die Verfolgung von grenzüberschreitendem
Betrug mit EU-Finanzmitteln sowie von Korruption und Geldwäsche
zuständig sein.

Gutes Zeugnis für Österreich – Land hat aber kaum Mittel aus
Juncker-Plan abgerufen

Was nun die Prüfberichte mit Österreichbezug betrifft, so liegt man
hierzulande im Bereich des Europäischen Landwirtschaftsfonds mit der
Fehlerquote von 32,47 % unter dem EU-Durchschnitt von 43,73 %.
Österreich musste mit 10 Mio. € auch relativ wenig Finanzkorrekturen
durchführen, denn EU-weit betrafen diese Korrekturen rund 2 Mrd. €,
wobei Frankreich, Polen, Spanien und Italien die höchsten Korrekturen
vornehmen mussten.

Ein Problem in Österreich bleibt die Identifizierung der
beihilfenfähigen landwirtschaftlichen Flächen, sprich der Almflächen.
Dieses Problem sei noch immer nicht gelöst, bedauerte Herics, es gebe
noch keine Rechtssicherheit. Das Prüfverfahren der Kommission laufe
noch, im Raum stehen Finanzkorrekturen in der Höhe von 8 Mio. €.

Kritische Anmerkungen zum Hochgeschwindigkeitsnetz

Herics berichtete auch über zahlreiche Sonderprüfungen. Von großem
Interesse für die Ausschussmitglieder war dessen Einschätzung des
europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Er sprach in diesem
Zusammenhang von einem „unwirksamen Fleckerlteppich“. Als Beispiel
nannte er den Brenner Basistunnel, wo es derzeit noch nicht einmal
gesichert ist, ob Deutschland die entsprechende Anbindung baut.
Insgesamt werde in eine teure Infrastruktur der
Hochgeschwindigkeitsnetze mit hohen Kostenüberschreitungen
investiert, sagte Herics und appellierte, die Wirksamkeit der
Maßnahmen zu prüfen. Er trat auch für eine stärkere Rolle der
EU-Kommission bei all diesen grenzüberschreitenden
Flaggschiff-Projekten im Bereich Verkehrsinfrastruktur ein.

Wenig funktionieren in den Augen von Herics auch die Public-Private
Partnership-Projekte (PPP). Für die Mitgliedstaaten sei dies ein
Anker, um die Schulden nicht noch größer werden zu lassen, sie seien
aber nicht gut darauf vorbereitet. Bei den meisten Projekten fehle
ein politisches Konzept, der Wettbewerb sei unzureichend und die
Ausgaben sowohl unwirtschaftlich als auch wenig wirksam. Der
EU-Rechnungshof empfiehlt daher, keine neuen PPPs mehr zu fördern,
solange die Probleme nicht gelöst sind.

Die Juncker-Investitionsoffensive (EFSI) sei gut angelaufen und
konnte hohe private Investitionen auslösen, wobei er aber die
Erwartungen an den Hebeleffekt als zu hoch bewertete, sagte Herics.
Mit 68,8 Mrd.€ an EFSI-Mitteln sollen 359,9 Mrd. €
Gesamtinvestitionen ausgelöst werden. Außerdem seien viele
Förderungen ohne weiteres auch aus bestehenden Programmen zu
bestreiten gewesen, es gebe große Mitnahmeeffekte und auch die
geographische Konzentration sei nicht ausgewogen, fasste Herics die
Kritik zusammen. Österreich hat sich mur in einem bescheidenen Ausmaß
von 1,4 Mrd. € daran beteiligt und liegt damit EU-weit nur an 23.
Stelle.

Kritisch bewertet der Europäische Rechnungshof auch die
EU-Heranführungshilfe für die Türkei, vor allem angesichts der
demokratiepolitischen Entwicklungen in diesem Land. Man müsse klar
darüber reden, ob man nicht Mittel kürzen sollte, wenn vereinbarte
Standards nicht eingehalten werden, so der EU-Rechnungsprüfer. Wenig
Wirkung ortet er auch bei den Mitteln für die afrikanische Friedens-
und Sicherheitsarchitektur, hier hält er eine Neuausrichtung für
erforderlich.

EU-Rechnungshof hält Kurskorrektur bei Direktzahlungen für notwendig

Dem Hochwasserschutz in Österreich stellt das europäische Prüforgan
ein gutes Zeugnis aus, bei der Luftverschmutzung drohen dem Land
jedoch Strafzahlungen in Millionenhöhe.

Bei den Direktzahlungen für die Landwirtschaft hält Herics eine
Kurskorrektur für angebracht, denn diese hätten nicht zum Stopp der
Abwanderung aus den ländlichen Gebieten geführt, vielmehr gehe die
Tendenz zu mehr Agrarindustrie hin. Sollte sich die Agrarindustrie
ausweiten, dann werde dies zusätzliches Geld zur Behebung von
Umweltschäden erfordern, fürchtet er.

In der Diskussion stellten die BundesrätInnen Christian Buchmann
(ÖVP/St), Martin Preineder (ÖVP/N), Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N),
Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O), Stefan Schennach (SPÖ/W), Günther Novak
(SPÖ/K), Hubert Koller (SPÖ/St), Andrea Kahofer (SPÖ/N), Christoph
Längle (FPÖ/V) und Georg Schuster (FPÖ/W) zahlreiche Detailfragen.
Dabei verteidigte vor allem Preineder die Direktzahlungen, wie Novak
bemängelte er den hohen Bürokratieaufwand bei Projekten und
Kontrollen. Buchmann, Novak und Tiefnig sprachen die
Breitbandoffensive an und Schuster unterstrich die Notwendigkeit, die
Mittel effizient zu verwenden. Schennach wies darauf hin, dass eine
hohe Fehlerquelle bei der Mehrwertsteuer liege, die oft doppelt
angerechnet werde. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan

———————————————————————

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender