
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 10. Jänner 2019 von Manfred Mitterwachauer „Neues Jahr, neuer Mut“
Innsbruck (OTS) – Das Wohnpaket der Landesregierung ist ambitioniert und hat das Potenzial, in der Tiroler Boden- und Widmungspolitik einen Systemwechsel einzuläuten. Bis Mieten und Baugründe tatsächlich billiger werden, dürfte aber noch Zeit vergehen.
Es sei die „mit Abstand größte Novelle seit 25 Jahren“. Mit Superlativen geizte die Landesregierung gestern nicht, als es darum ging, das neue Wohnpaket öffentlichkeitswirksam zu verkaufen. Weniger euphorisch könnte man auch sagen: Die schwarz-grüne Koalition hat gestern das erledigt, wofür ÖVP und Grüne vor knapp einem Jahr gewählt wurden. Nämlich ihren Job und damit auch den Auftrag aus der Bevölkerung, sich des Problemfeldes Wohnen intensiver als bisher anzunehmen. Denn leistbares Wohnen ist das Top-Thema, das den Tirolerinnen und Tirolern unter den Nägeln brennt. Knapp 80 Prozent sehen dies als vordringlichste Aufgabe der Landesregierung an, wie eine Umfrage im Auftrag der TT bescheinigte. Und mit nichts weniger als dem Versprechen, das Wohnen in Tirol bis 2023 leistbarer zu machen, ist Schwarz-Grün II im März 2018 an den Start gegangen. Die Ambition, in der Boden- und Widmungspolitik endlich Flagge zu zeigen, ist der Landesregierung mit dem vorliegenden Paket nicht abzusprechen. Ein Interessentenmodell im Baulandgrundverkehr entspricht zwar nicht der Öffnung desselben für Gemeinden im Freilanderwerb – was Teile der Opposition fordern –, könnte aber in der Lage sein, Immobilienspekulation und Boden als Kapitalanlage einzudämmen. Auch die Befristung bei Neuwidmungen oder die verpflichtende Ausweisung von Vorbehaltsflächen für den objektgeförderten Wohnbau zeugen von einer gewissen Portion Mut, einen Systemwechsel in der Boden- und Widmungspolitik einzuläuten. Mut, für den sich die Regierung aber keinen Extra-Applaus erwarten sollte. Immobilienpreisspiegel und -inserate schreien geradezu danach.
Natürlich ginge mehr, um nur Mietpreisobergrenzen, Rückwidmungen lang brachliegender Baugrundstücke oder Vorbehaltsflächen auf Bestandswidmungen zu nennen. Doch hier liegen die Fallstricke beim Bund bzw. in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs.
Das Wohnpaket ist also ein erster Schritt. Zum leistbaren Wohnen? Ja, aber nicht so schnell, wie jetzt von Regierungsseite versprochen wird. Viele der Reformpunkte dürften erst in einigen Jahren ihre volle Wirkung entfalten. Dann, wenn sie in den örtlichen Raumordnungskonzepten eingearbeitet, von allen Gemeinden vollstreckt und möglicherweise höchstgerichtlich bestätigt sind. Erst dann wird der Wert dieses Wohnpakets ersichtlich sein. Vorerst ist es ein neues Versprechen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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