Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 12. März 2019; Leitartikel von Peter Nindler: “Der traut sich was, der Tilg”

Innsbruck (OTS) – Über eine längst überfällige Spitalsreform zu reden, ist das eine, sie umzusetzen, das andere. Die geplante Schließung von Natters zeugt von Mut. Doch den muss Gesundheits-LR Bernhard Tilg auch bei der Spitalsfinanzierung beweisen.

Es ist eine heikle Operation, weshalb die Politik meist davor zurückschreckt – denn wer schließt schon gern ein Spital? Eine optimale Gesundheitsversorgung wird nach wie vor pauschal an der Anzahl der Spitäler gemessen, obwohl die steigenden Gesundheitsausgaben stets der größte Kritikpunkt an der Politik sind. Im Übrigen geht es fast nie um ein optimiertes Leistungsangebot oder eine integrierte Gesundheitsversorgung zwischen den einzelnen Spitälern und niedergelassenen Ärzten, sondern vielfach um regionalpolitische Egoismen. Und um den kleinen medizinischen Schrebergarten, der gehegt und gepflegt werden will. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) versucht den Schrebergarten nach Kitzbühel jetzt zum zweiten Mal aufzubrechen. Schließlich steigt der Kostendruck, auf Dauer kann das Land nämlich Abgänge von 75,5 Mio. Euro im Spitalsbereich nicht schultern. Zugleich macht es nicht nur betriebswirtschaftlich Sinn, die stationäre Versorgung – vor allem medizinisch komplexe Leistungen – im Großraum Innsbruck zu bündeln und nicht ausgelastete Betten zugunsten der bedarfsgerechten Übergangspflege zu reduzieren. Eine starke Inns­brucker Klinik mit Spitzenmedizin rund um die Uhr muss stets im Mittelpunk­t des landespolitischen Handelns stehen. Natürlich dürfte sich um Natters eine emotionale Debatte entzünden, weil der Spitalsstandort bereits vor zwölf Jahren erstmals zur Debatte stand. Die Spitalsreform einzig auf diese Frage zu reduzieren, würde jedoch zu kurz greifen: Um Ausgaben zu senken, kleine, aber kostspielige Organisationseinheiten in regionale Strukturen einzubetten, benötigt es unbedingt eine verbesserte Aufgaben- und Angebotsabstimmung unter den einzelnen Spitälern. So gesehen symbolisiert Natters entweder den Gestaltungswillen, um eine nachhaltige Reform des Krankenanstaltenplans tatsächlich umzusetzen; oder die Mutlosigkeit, wieder nur kosmetische Eingriffe beim Patienten „Krankenhaus“ vorzunehmen.
Vor einer Frage darf sich Tilg allerdings nicht leise verabschieden: Die Spitalsfinanzierung in Tirol hinkt, es gibt Gewinner und Verlierer. Dass etwa für das Krankenhaus Zams der Abgang für die Gemeinden mit 400.000 Euro gedeckelt ist und den Rest das Land begleicht, die Krankenhausverbände Lienz, Kufstein und St. Johann hingegen voll zur Kasse gebeten werden, ist schwer nachvollziehbar. Schlussendlich schreit eine mutige Spitalsreform auch nach einer gerechten Finanzierung.

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