TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 20.Juli 2019 von Mario Zenhäusern – „Gute Karten im Transitpoker“

Innsbruck (OTS) – Landeshauptmann Platter weiß die Tiroler Bevölkerung hinter sich, wenn er beim Verkehrsgipfel in Berlin harte Positionen vertritt. Als Sofortmaßnahme gilt es, den Gütertransport auf der Straße massiv zu verteuern. Für die Zukunft braucht es neue Denkansätze.

Am Montag will Landeshauptmann Günther Platter entscheiden, ob er am Verkehrsgipfel in Berlin, zu dem der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingeladen hat, teilnehmen wird oder nicht. Er wird es wohl tun. Platter ist nicht der Typ, der von sich aus Gespräche ablehnt, er sucht normalerweise den Weg des Konsenses. Beim Verkehrsgipfel im Juni 2018 in Bozen hatte er allerdings gezeigt, dass in Sachen Transitverkehr die Zeit der Unverbindlichkeit endgültig vorbei ist. Damals forderte er wirkungsvolle Maßnahmen statt sinnloser Memoranden. Platter bezeichnete die vereinbarte Unterzeichnung einer bloßen Absichtserklärung zur Verringerung des Verkehrs auf der Brennerachse als „Verrat an der eigenen Bevölkerung“ und verweigerte seine Unterschrift.
An dieser klaren Haltung hat sich nichts geändert. Schon allein aus diesem Grund bleiben inzwischen verordnete Maßnahmen wie die Lkw-Blockabfertigung in Kufstein-Kiefersfelden, die Ausweitung des Nachtfahrverbotes, die Verschärfung des sektoralen Lkw-Fahrverbotes für bestimmte Güter und die Tanktourismus-Beschränkungen alternativlos. Sie müssen es bleiben, für Platter ebenso wie für die Tiroler Bevölkerung. Ein Rückzieher aus freien Stücken käme einer Niederlage gleich. Die wird der ÖVP-Chef neun Wochen vor der Nationalratswahl nicht riskieren wollen.
Platter hat im anstehenden Transitpoker keine schlechten Karten. Er kann seine Gegenüber in Berlin mit der Tatsache konfrontieren, dass nicht nur die Tirolerinnen und Tiroler vom Transit die Nase gestrichen voll haben. Auch die Bevölkerung in Südtirol und im bayerischen Inntal will nicht länger akzeptieren, dass die Europäische Union das Recht auf freien Warenverkehr über das Recht der Menschen entlang der Transitstrecken auf saubere Luft und weniger Lärm stellt. Je lauter der Protest der Transitgeplagten, desto sicherer ist, dass die Botschaft in Wien, Berlin, Rom und Brüssel ankommt.
Aus Tiroler Sicht sind die Ziele klar. Nur wer den Gütertransport auf der Straße massiv verteuert, schafft Anreize für die Verlagerung auf die Schiene. Deshalb sind Sofortmaßnahmen wie die Schaffung einer Korridormaut von München bis nach Oberitalien und die Abschaffung des Dieselprivilegs in Österreich unabdingbar. Für eine „enkeltaugliche Verkehrspolitik“, wie sie Transitgegner seit Jahren fordern, ist das allein aber zu wenig. Es braucht neue Denkansätze, grundsätzliche Überlegungen zum Güterverkehr der Zukunft. Die Diskussion darüber wird die EU führen müssen. Sonst hört der Protest der Betroffenen nie auf.

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