TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 21. Juli 2019 von Peter Nindler – Nicht Fisch,nicht Fleisch

Innsbruck (OTS) – Die finanzielle Schmerzgrenze für eine ernsthafte Strukturdebatte ist in den Gemeindestuben noch nicht erreicht.
Das gute wirtschaftliche Umfeld lässt die Tiroler Gemeinden noch verschnaufen. Doch die finanzielle Uhr tickt, mehr als eine Milliarde Euro Schulden lasten schwer.
Ob Ballungsraum in der Inntalfurche oder klassische Landgemeinde: Die kommunalen Herausforderungen stoßen an ihre finanzielle Leistungsgrenzen, vor allem für wirtschaftlich schwache Kleinstgemeinden stellt sich schon längst die Sinnfrage. Ohne den Ausgleich des Landes mit Bedarfszuweisungen und nach wie vor steigenden Steuereinnahmen wären sie kaum noch überlebensfähig. Trotzdem muss in Kindergärten, Schulen, Daseinsfürsorge und „Beton“ investiert werden, damit die Peripherie infrastrukturell nicht den Anschluss verliert. Die Investitionstätigkeit ist erfreulich, zugleich eine Belastung. Der Schuldenrucksack wird schwerer, zumal die laufenden Ausgaben gerade für den Sozial- und Gesundheitsbereich mit Transferzahlungen von derzeit 422,3 Mio. Euro jährlich steigen. Deshalb rücken mehr als eine Milliarde Euro Schulden der 279 Tiroler Gemeinden, nicht wenige davon gefährlich nahe, an eine finanzielle Falltür heran. Denn schwächt sich einmal die allgemeine Konjunktur stärker ab, schnappt die Schuldenfalle unbarmherzig zu. Daraus ergibt sich von selbst die Problemstellung für die kommenden Jahre. So notwendig Investitionen für die Gemeinden sind, im Gleichschritt müssen gerade in wirtschaftlich guten Zeiten Schulden abgebaut und teure Strukturen kritisch hinterfragt werden.
Doch wer in Tirol ernsthaft über Gemeinde-Zusammenlegungen diskutieren möchte, wird sofort in eine politische „Nein, aber“-Argumentationsschleife katapultiert. Landläufig heißt das nicht Fisch, nicht Fleisch. Die Erkenntnis daraus: Die Milliarden-Grenze bei den Verbindlichkeiten wurde 2018 erstmals überschritten, die Schmerzgrenze für eine ernsthafte Strukturdebatte über die Zukunft der Gemeinden offenbar noch nicht.

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