Westfalen-Blatt: Kommentar zur Fusion von PSA und Fiat Chrysler

Bielefeld (ots) – Jürgen Schrempp, vor 21 Jahren Vorstandsvorsitzender des Daimler-Konzerns, hat die damalige Fusion mit dem US-Autohersteller Chrysler noch als »Hochzeit im Himmel« bezeichnet. Viel hat sich seitdem geändert. Was diese Autoehe betrifft, so entwickelte sie sich für die Stuttgarter zu einem finanziellen Albtraum und wurde 2007 wieder geschieden. Stattdessen begann Chrysler zwei Jahre später eine neue Liaison mit Fiat.

Zusammen verhandelten sie in diesem Jahr bereits über eine Fusion mit Renault. Dass diese Gespräche nach wenigen Monaten geplatzt sind, nahmen Beobachter bereits als Beweis, dass die Zeit der Großfusionen in der Autobranche vorbei sind. Insbesondere die deutschen Hersteller setzen eher auf Kooperationen für einzelne Projekte. Sie sind besser geeignet, Kosten zu sparen. Kräfte können etwa für die Entwicklung neuer Antriebstechnologien oder das autonome Fahren gebündelt werden. Da sie aber – jedenfalls zunächst – zeitlich begrenzt sind, sparen sich die Konzerne außer den Fusions- auch die eventuell immens hohen Scheidungskosten. Dass viele Beobachter unter anderem an den Börsen den Zusammenschluss von PSA und Fiat Chrysler dennoch relativ positiv beurteilen, liegt an der ungleichen Marktverteilung der Autoriesen. PSA, in den USA traditionell schwach, könnte sich mit der Fusion nun den ersehnten Markteintritt verschaffen. So jedenfalls die Hoffnung. Auf der anderen, europäischen Seite aber holt sich der französische Konzern mit Fiat nach Opel erneut eine europäische Marke ins Portfolio, die im Segment der kleinen und mittleren Wagen bisher mit Peugeot, Citroën, DS und Opel konkurriert hat. Bis da Synergien entstehen, die dem Konzern auch Einnahmen bescheren, kann viel Zeit vergehen – Zeit, die außer Geld auch Managementenergien verschlingt, die der Konzern anderswo einsetzen könnte.

Aus Sicht der Beschäftigten wirkt die Nachricht, dass die neue Nummer 4 unter den weltweiten Automobilherstellern kein Werk schließen will, beruhigend. Allerdings weiß man aus der Vergangenheit, wie lange solche Versprechen halten, wenn die angepeilten Synergien und Mehrverkäufe nicht realisiert werden können. Außerdem bedeutet der Verzicht auf Werksschließungen nicht zugleich den Verzicht auf jedweden Personalabbau.

Immerhin zeigt die Fusion, dass der europäische Automarkt noch attraktiv ist. Möglicherweise lässt sich trotz der Klimadiskussion hier vielleicht sogar der ein oder andere Benzinfresser von Chrysler und seiner Marken Jeep und Dodge verkaufen. Viele werden es bestimmt nicht sein.

Diese Fusion, soviel steht fest, wird keine »Hochzeit im Himmel«. Die Beteiligten können froh sein, wenn sie auf Erden hält und keinen der Partner ins Unglück stürzt.

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