Trümpfe / Kommentar von Friedrich Roeingh zu Merkel und Erdogan

Mainz (ots) – Wer sich nicht mit Schurken abgeben will, darf nicht in die Politik gehen. Keine Provokation, auch keine verbrecherische Politik rechtfertigen auf internationaler Ebene Gesprächsverweigerung. Gut also, dass Angela Merkel die Einweihung eines neuen Campus der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul zu einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten genutzt hat. Greifbare Ergebnisse zeitigen solche Gespräche in der Regel nicht. Und hinter allem, was auf der Oberfläche kommuniziert wird, zeigen sich im Zweifel nicht die wahren Absichten. So verbarg sich hinter Erdogans betont herzlichem Empfang für die “geschätzte Freundin” gewiss noch kein Kurswechsel in seiner Deutschland- und Europa-Politik. Diese Charme-Offensive war vor allem innenpolitisch motiviert. Auf der anderen Seite tut Merkel gut daran, mit Erdogan in Kontakt zu bleiben. Für den von Berlin angestoßenen Libyen-Prozess ist er ein unerlässlicher Gesprächspartner. Und der Flüchtlingsdeal zwischen Europa und der Türkei ist keineswegs so tot, wie er von Beobachtern gern erklärt wird. Solange syrische Flüchtlinge auf den griechischen Inseln unter schlechteren Bedingungen vegetieren als in türkischen Lagern, gibt es schon gar keinen Grund, sich bei diesem Thema über die Türkei zu erheben. Europa tut richtig daran, die Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei auch weiterhin mit Milliarden zu unterstützen. Und es ist mitnichten so, dass die EU kein Druckmittel habe, um zumindest einen Großteil des Geldes bei ihnen ankommen zu lassen. Schließlich drängt die Türkei in Zeiten wirtschaftlicher Verunsicherung auf eine Zollunion mit der EU. Auch Europa hat Trümpfe.

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