Stellungnahme der ÖGKJP zum Coronavirus

Salzburg (OTS) – Nach nunmehr 3 Wochen intensiver Auseinandersetzung mit dem Coronavirus und der damit verbundenen Einschränkungen des Alltagslebens möchten wir als [Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie] (https://oegkjp.at) (ÖGKJP) unseren Beitrag leisten.

Die ersten Wochen nach einer derartigen Bedrohung sind in der Regel gekennzeichnet von Bewältigungsstrategien, um sich an die gegebenen Bedingungen anzupassen, mit der Angst umzugehen und auch mit den veränderten Lebensbedingungen zurechtzukommen. Gleichzeitig bringt eine derartige Umstellung viel Anregung und nötigt einen zu – teilweise sehr kreativen – Anpassungsmechanismen.

Nun, nach 3 Wochen wird deutlich, dass diese Einschränkungen des Alltagslebens weiter bestehen bleiben, um die Ausbreitung der Infektion weiter einzudämmen. Das heißt, dass es ab jetzt nicht um eine akute Anpassung an schwierige Bedingungen geht, sondern um eine längerfristige Adaptation des Lebens an diese Bedingungen. Aus der wissenschaftlichen Fachliteratur wissen wir, dass diese Prozesse mit der Bewältigung von sehr viel Angst einhergehen, und dass diese Situationen traumatisierend sein können. Zudem können diese Prozesse und Situationen vor allem durch die große Enge in den Familien zu massiven Spannungen innerhalb der Familiensysteme und Wohngemeinschaften führen. Auch Fremdaggressionen gegen Polizistinnen und Polizisten oder andere, die Einschränkungen kontrollierenden Personen, sind denkbar.

Wie damit umgehen?

Wir schlagen Ihnen drei wesentliche Orientierungen vor:

1. Die Zeit danach – Zukunftsorientierung: Wir Menschen sind
besonders gut motivierbar, wenn am Ende einer Durststrecke –
beispielsweise im Zusammenhang mit einer schwierigen Arbeitsperiode –
eine Aussicht auf Besserung, eine Aussicht auf ein besseres Leben
gegeben ist. Unsere Anregung: Entwickeln Sie daher für sich und für
Ihre Familie Vorstellungen davon, wie Ihr Leben in 4 oder in 8 bis 12
Wochen aussehen könnte. Welche Möglichkeiten bietet die momentane
Situation im Sinne von positiven Herausforderungen? Was können Sie
für sich und Ihre Familie aus diesen positiven Herausforderungen
entwickeln?2. Der erste Schritt ist wichtig – Lösungsorientierung:
Angst kann uns dazu nötigen, auf der Stelle zu treten, nach innen zu
sehen und in Starre zu verfallen. Bei den täglich anfallenden
Problemsituationen ist es daher hilfreich, kleine Lösungsschritte zu
entwickeln und umzusetzen. Jeder aktive Schritt – beinahe egal in
welche Richtung – der zu einer Veränderung der Problemsituation
führt, führt in Richtung Zukunft und in Richtung Veränderung. Die
Lösung muss nicht die Erlösung sein, die Lösung muss nicht endgültig
sein, Irrtümer gehören zu Lösungen und Entscheidungen. Wichtig ist,
den ersten Schritt aus der Starre und der Bewegungslosigkeit zu tun.
Unsere Anregung: Erarbeiten Sie mit Ihrer Familie und Ihren Kindern
Möglichkeiten, wie die kleinen Probleme vor Ort rasch gelöst werden
können. Das schafft Sicherheit und Zuversicht.
3. Gemeinsam sind wir stark – Demokratieorientierung: Im sozialen
Miteinander liegt die stärkste Kraft, schwierige Situationen zu
meistern. Wir sehen das heute in der unglaublichen Bereitschaft der
Menschen, sich sozial zu engagieren, zu helfen und kreative Lösungen
für schwierige Situationen zu finden. Die allermeisten dieser
Lösungen sind gemeinschaftliche Lösungen. In der Gemeinsamkeit liegt
die Stärke. Unsere Anregung: Versuchen Sie in Ihrer Familie die
gemeinsamen Kräfte zu nützen und miteinander die anstehenden
Fragestellungen und Probleme zu lösen. Fragen Sie Ihre Kinder, welche
Vorschläge sie haben, fragen Sie Ihre Partner, setzen Sie sich
zusammen und versuchen Sie, diese Vorschläge gemeinsam zu besprechen.
Entscheiden Sie gemeinsam, wie es weitergehen soll. Denken Sie dabei
daran, dass die Ziele darin liegen sollen, sich gegenseitig zu
helfen, eine Tagesstruktur aufrechtzuerhalten, freudebringende
Tätigkeiten abwechselnd und gemeinsam durchzuführen, und auch
individuelle freie Zeit und Zeit für Arbeit zu organisieren.

Wenn es Ihnen sehr schwerfällt, diese genannten Orientierungen umzusetzen, wenn Sie bemerken, dass eines Ihrer Familienmitglieder nicht in der Lage ist, hier mitzumachen und große Schwierigkeiten mit der momentanen Situation hat, dann scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen! Hilfe zu holen ist eine der wichtigsten und wesentlichsten Eigenschaften des Menschen und des sozialen Miteinanders – auch hier gilt das Motto „gemeinsam sind wir stärker“!

Die Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind auf ihren Posten. Die Abteilungen sind für Notfälle weiterhin Tag und Nacht geöffnet, in den Praxen sitzen die Kolleginnen und Kollegen am Telefon. Manche Abteilungen haben auch Hotlines eingerichtet.

Wir laden Sie herzlich ein, das [Service] (https://oegkjp.at) der österreichischen Kinder- und Jugendpsychiater*innen in Anspruch zu nehmen.

Weitere Informationen und Materialien auf Englisch und in anderen Sprachen finden sich auf der Website der European Society for Child and Adolescent Psychiatry – ESCAP: [https://www.escap.eu] (https://www.escap.eu/)

Ihr

Univ. Prof. Dr. Leonhard Thun-Hohenstein

Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP)

Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (ÖGKJP)
Tel.: 0680/1512197
E-mail: office@oegkjp.at
Web: www.oegkjp.at

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