
Leitartikel „Schule light im schwierigen Praxistest“ vom 25.4.2020 von Carmen Baumgartner-Pötz
Innsbruck (OTS) – Schichtbetrieb und Maskenpflicht, so wird der Schulbetrieb ab Mai in Österreich aussehen. Dass endlich ein Plan vorgelegt wurde, war längst überfällig. Wirklich interessant wird aber die Umsetzung der theoretischen Vorgaben.
Von Carmen Baumgartner-Pötz
In wie vielen Familien gestern nach der Pressekonferenz von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) High Five gegeben oder aber die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen wurden, weiß man nicht. Es könnte sich ziemlich die Waage halten. So wie sich das Land überhaupt zweizuteilen scheint am Ende von Woche sechs mit tiefgehenden Corona-Einschränkungen in allen Lebensbereichen: Den einen geht momentan alles zu schnell, den anderen zu langsam – und die meisten vereint eine tiefgehende Verunsicherung. Es ist in der Tat einfacher, ein Land stillzulegen, als es vorsichtig wieder zum Leben zu erwecken. Und so wurde der Plan für die Schulen mit besonderer Aufmerksamkeit erwartet – in den betroffenen Familien genauso wie in der Lehrerschaft. Wenn man schon von Baumärkten, Randsportarten, Erntehelfern und der Gastronomie auf den allerletzten Dringlichkeitsplatz verwiesen wurde.
Nun herrscht zumindest etwas Planungssicherheit – und gleichzeitig bleiben viele Fragen offen. Das Positive zuerst: Kinder und Jugendliche bekommen nach harten, entbehrungsreichen Wochen wieder eine Chance auf ein bisschen Normalität und bekannte Strukturen. Denn Schulen sind bekanntlich mehr als Bildungsanstalten: Sie sind Orte des sozialen Zusammenseins, der Konfliktbewältigung, des emotionalen Wachsens. Der Austausch innerhalb der eigenen Peergroup kann niemals zur Gänze im Elternhaus ersetzt werden. Dass es die Corona-Krise braucht, um Unterricht in Kleingruppen einzuführen und Aufsteigen mit Nicht genügend zu ermöglichen – Dinge, die viele Experten seit Langem fordern –, ist so etwas wie der Treppenwitz der Geschichte. Vielleicht wird daraus in den nächsten Monaten ja tatsächlich so etwas wie ein echtes Konzept!
Wie der Praxistest bei den Hygienerichtlinien ausfallen wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Rigoros Abstand halten, den Gang und die Klasse nur mit Maske betreten, mehrmals täglich Hände waschen klingt theoretisch einfacher, als es im wuseligen Schulbetrieb sein wird. Ganz zu schweigen vom Vereinbarkeitswahnsinn von Schichtunterricht mit Hausübungstagen für berufstätige Eltern mit mehreren Kindern an verschiedenen Schulen oder Kindergärten. Dass hier ein Betreuungsangebot besteht und die Politik gleichzeitig darum bittet, dieses nicht in Anspruch zu nehmen, gehört zu den Punkten im Plan, die man nicht verstehen muss und kann.
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