Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 3. Juni 2020. Von PETER NINDLER. “Nächster Anlauf für eine moderne Klinik”.

Innsbruck (OTS) – An der Innsbrucker Klinik wurden schon viele Reformen versprochen, aber holprig angegangen. Doch der Kostendruck zwingt Tirol Kliniken und Medizinische Universität zum Handeln. Und die Corona-Krise hat bereits Strukturen aufgebrochen.

Am Reißbrett entwarfen Gesundheitsexperten im Vorjahr eine Spitalsreform in Tirol. Politisch strauchelten sie jedoch mit der Ankündigung, das auf Lungenheilkunde spezialisierte Landeskrankenhaus Natters zu schließen. Dennoch sollen bis 2025 rund 220 Betten eingespart werden. Unabhängig davon scheitern Veränderungen im stationären Bereich vor allem dann, wenn sie von oben herab verordnet werden. So wie die 2007 vom Land forcierte Beteiligung der Medizinischen Universität an der Spitalsholding Tirol Kliniken. Weil Land Tirol und Bund schließlich gemeinsam am Landeskrankenhaus Innsbruck bzw. der Klinik operieren, sollten die Zusammenarbeit und Führung verbessert, Forschung, Lehre und Patientenversorgung optimiert werden. Schlussendlich geht es nicht nur um Kompetenzen, sondern ums Geld. Der Kostendruck ist in den vergangenen dreizehn Jahren keinesfalls geringer geworden, doch die Rahmenbedingungen für Reformen haben sich verbessert. Trotz permanenter Finanzierungssorgen herrschen heute sowohl an den Tirol Kliniken als auch an der Med-Uni stabile Verhältnisse.
Was bleibt, sind die davongaloppierenden Kosten: Allein die Klinik verzeichnete 2018 einen Betriebsabgang von 46,1 Mio. Euro, die drei Krankenhäuser der Tirol Kliniken zusammen 70 Millionen. Für 2019 wurde das Defizit mit 99,5 Mio. Euro gedeckelt. Zugleich kämpfen die Universitätsmedizin im Allgemeinen und die medizinische Forschung ebenfalls um jeden Cent.
Zwar ist seit der Absichtserklärung („Letter of intent“) wieder ein Jahr vergangen, doch Tirol Kliniken und Med-Uni meinen es jetzt offenbar ernst. Um verkrustete Hierarchien aufzubrechen, die Patientenversorgung an tatsächliche Notwendigkeiten anzupassen, die Effizienz zu steigern, Spitzenmedizin weiter zu gewährleisten und den Bedarf an Ärzten finanziell zu stemmen, benötigt es keine Fusion – vielmehr Verschränkungen auf allen Ebenen. Dass es mit „Medizin-Zukunft-Tirol“ erstmals einen gemeinsamen Außenauftritt gibt, ist ein erstes sichtbares Zeichen des Bemühens.
Die Corona-Krise dürfte den Prozess durchaus beschleunigen, weil beide Systempartner über Nacht gezwungen waren, sich von eingesessenen Strukturen zu verabschieden. Trotzdem tickt die Uhr, Tirol Kliniken und Med-Uni müssen spätestens bis 2021 liefern. Denn schon beim vor Jahren politisch inszenierten Zusammenarbeitsvertrag zwischen den beiden Systempartnern hat sich leider gezeigt, dass Papier geduldig ist und verschwurbelte Absichtserklärungen keine tiefgreifenden Reformen ersetzen können.

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