VDA-Präsidentin Hildegard Müller: “Wir haben es ohne Frage mit der bislang schwersten Krise seit Beginn der Bundesrepublik zu tun”

Berlin (ots) – Der VDA erwartet für 2020 rund ein Viertel weniger Pkw-Verkäufe in Deutschland und Europa
MANUSKRIPT MIT O-TÖNEN

Anmoderation:

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Automobilmärkte weltweit einbrechen lassen und die Industrie – insbesondere in Europa und Deutschland – in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt. Bei der traditionellen Halbjahrespressekonferenz des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) – zum ersten Mal digital – gab Verbandspräsidentin Hildegard Müller die aktuellen Zahlen bekannt: Im ersten Halbjahr gingen die Pkw-Neuzulassungen in Deutschland um knapp 35 Prozent zurück. Ähnlich ist das Bild auf den internationalen Märkten: In Europa gab es bis Mai einen Rückgang des Pkw-Marktes um 43 Prozent, in den USA um 23 und in China um 27 Prozent.

O-Ton Hildegard Müller

Wir haben es ohne Frage mit der bislang schwersten Krise seit Beginn der Bundesrepublik zu tun. Für unsere Industrie wird sie erschwerend dadurch geprägt, dass sie nahezu alle Automobilmärkte weltweit umfasst. Der Pkw-Weltmarkt wird im Gesamtjahr 2020 um 17 Prozent auf rund 65,9 Millionen Einheiten zurückgehen. Entscheidend wird sein: Wie entwickelt sich die Konjunktur? Wie wirken die Impulse, wir wird man sich auf einen EU-Recovery-Plan einigen können, der auch industriepolitisch wirkt? Und wie zeitnah werden die Forderungen für ein europäisches Flottenerneuerungsprogramm im Bereich der Nutzfahrzeuge umgesetzt? Hier gab es ja einen Beschluss im Konjunkturpaket der Bundesregierung, der aber in der Umsetzungsverantwortung auf der EU-Ebene liegt. (0’44)

Noch hat der Rückgang der Neuzulassungen nur geringe Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen in der Automobilindustrie. Allerdings befürchtet die VDA-Präsidentin, dass die Beschäftigung bis Jahresende 2020 weiter zurückgeht:

O-Ton Hildegard Müller

Die deutlich geringere Produktion zeigt sich noch nicht bei einem vergleichsweise hohen Beschäftigungsstand. Stand 30.04.2020 waren in der deutschen Automobilindustrie 814.000 Mitarbeiter beschäftigt. Das ist ein Rückgang von 3 Prozent beziehungsweise 21.700 Beschäftigten, wie gesagt zum 30.04. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass sehr viele Unternehmen derzeit Kurzarbeit angemeldet haben beziehungsweise durchführen. Von den 814.000 Mitarbeitern ist etwa jeder zweite derzeit in Kurzarbeit. Bei den Herstellern gibt es erste positive Signale, dass die Kurzarbeit der Hersteller deutlich zurückgeht. Leider können wir daraus aber nicht ableiten, dass dieser Trend auch bei allen Zulieferern vorherrscht. In etlichen mittelständischen Unternehmen ist die Auslastung weiterhin sehr schwach. Die Corona-Krise und die Transformation überlagern und verstärken sich hier. Wir müssen davon ausgehen, dass die Beschäftigtenzahl insgesamt bis zum Jahresende 2020 noch einmal zurückgehen wird. (1’03)

Mit Investitionen in Höhe von allein 50 Milliarden Euro in neue Antriebe und 25 Milliarden Euro in die Digitalisierung bis zum Jahr 2024 investieren die VDA-Mitgliedsunternehmen massiv in die Transformation. Die E-Modellpalette deutscher Marken wird von aktuell 70 auf mehr als 150 Modelle in den kommenden drei Jahren mehr als verdoppelt. Die beschlossenen Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung begrüßt der VDA:

O-Ton Hildegard Müller

Die Absenkung der Mehrwertsteuer sowie die Erhöhung des Umweltbonus für Elektroautos und Plug-in-Hybride können positive Impulse setzen. Aber für einen großen kraftvollen Schub bei der Nachfrage ist ein Marktanteil im Bereich Elektro von 8 Prozent zu gering. Um es klar zu sagen: Wir rechnen nicht mit einem raschen Hochlauf der Märkte, sondern eher mit einer langsamen schrittweisen Erholung. Der Weg aus dieser großen Krise wird lang und steinig und er wird wirtschaftliche und soziale Schleifspuren hinterlassen, in der gesamten Wertschöpfungskette. (0’31)

Um aus der Krise zu kommen, braucht es von der EU jetzt ein ambitioniertes Industriepaket mit einem Schwerpunkt auf Wachstum und Investitionen. Dazu zählt beispielsweise der konsequente Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität und Wasserstoff:

O-Ton Hildegard Müller

Wenn wir in Deutschland und Europa wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir Klimaschutz und Konjunktur zusammendenken. Wir brauchen weiterhin einen intelligenten Mix an Angeboten, vom E-Auto über Plug-in-Hybride bis hin zu modernen, effizienten Benzinern und Dieseln, Wasserstoff und E-Fuels, die gesamte Palette, die im Übrigen auch den Kundenwünschen entspricht. Denn die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen sind in Stadt und Land unterschiedlich. Ähnliches gilt für die individuelle Jahresfahrleistung. Wir dürfen Mobilität nicht allein durch die Brille des Bürgers in der City betrachten. Viele Millionen Menschen pendeln täglich zur Arbeit. Für viele ist das Auto notwendig, um ihren Beruf auszuüben, auch um am sozialen Leben teilzuhaben. (0’45)

Ausdrücklich begrüßte VDA-Präsidentin Hildegard Müller, dass sich die Bundesregierung für ein Flottenerneuerungsprogramm für Lkw auf europäischer Ebene einsetzt:

O-Ton Hildegard Müller

Die Krise auf den Nutzfahrzeugmärkten ist noch heftiger als im Pkw-Bereich. Ich sage das ausdrücklich, weil wir viel auch über Pkws sprechen in der öffentlichen Diskussion, aber kaum über Nutzfahrzeuge. (0’12)

Abmoderation:

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Automobilmärkte weltweit einbrechen lassen. Auf der Halbjahrespressekonferenz hat der VDA heute die aktuellen Zahlen und eine Prognose für 2020 vorgestellt.

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